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Marokko gegen UNO

Alle marokkanischen Parteien gemeinsam mobilisierten am Sonntag eine riesige Menschenmenge – mehr als drei Millionen Teilnehmer laut offiziellen Angaben – auf die Straßen der Hauptstadt Rabat. Lautstark bekräftigten sie die „Marokkanität“ dessen, was im offiziellen Sprachgebrauch „Südprovinzen“ heisst und international Westsahara genannt wird. Sie riefen wütende Parolen gegen den Generalsekretär der Vereinten Nationen (UNO), Ban Ki-Moon.

Ein Wort hatte genügt, um Marokkos Regime und seine Anhänger zu entzürnen. Ban Ki-Moon hatte anlässliches seines Besuches vor zehn Tagen in den sahrauischen Flüchtlingslagern in der Wüste nahe der algerischen Garnisonsstadt Tindouf von „Besatzung“ gesprochen, als er sich auf die Heimat der Flüchtlingen, die 1975 von Marokko okkupierte ehemalige spanische Kolonie Westsahara bezog. Ban Ki-Moon habe „die Neutralität verlassen“, beschwert sich die Regierung in Rabat. Es war der erste Besuch eines UN-Generalsekretärs in den Flüchtlingslagern.

„Wir sind bereit zu den Waffen zu greifen, um die Integrität des marokkanischen Territoriums zu verteidigen“, warnte ein Abgeordneter der ältesten marokkanischen Partei, der Istiqlal, unter starkem Applaus auf einer eiligst für Samstag einberufenen Sondersitzung der beiden marokkanischen Parlamentskammern, bei der „über die jüngste Entwicklungen der nationalen Sache“ beraten wurde. Die Abgeordneten beschlossen, das Volk zu mobilisieren.

Die Westsahara, eine Gebiet an der Westküste Afrikas, gegenüber der Kanarischen Inseln, gehörte bis 1975 zu Spanien. Als Madrid den Rückzug anordnete, marschierten Marokko und Mauretanien ein. Bis 1991 tobte ein Krieg zwischen den neuen Besatzern und der der Befreiungsbewegung Polisario, die vor 40 Jahren ihre Demokratisch Arabische Republik Sahara ausrief und bis heute eine Exilregierung in den Flüchtlingscamps in Tindouf unterhält. Mauretanien zog sich 1979 zurück. 1991 vermittelte die UNO einen Waffenstillstand zwischen Rabat und der Polisario und versucht seither vergebens ein Referendum über die Zukunft der Westsahara zu organisieren. Dies scheiterte immer wieder am Widerstand Marokkos. Rabat will für die phosphat- und fischreiche Küstenregion, in der neuerdings auch große Erdölvorkommen vermutet werden, höchstens einen Autonomiestatus gewähren.

Sehr zur Entrüstung der marokkanischen Regierung und von König Mohamed VI. bestätigte Ban Ki -Moon bei seinem Besuch in den Flüchtlingscamps, dass die UNO wieder verstärkt auf ein Referendum drängen wolle. Leicht wird das nicht. Denn Marokko wird in seiner starren Haltung von Frankreich unterstützt. Die ehemalige Kolonialmacht Spanien schaut untätig zu. Und die EU handelt mit Rabat die Rücknahme von Flüchtlingen aus und vergisst dabei die Lage in der Westsahara geflissentlich.

Was bisher geschah: