Bis zu 14.000 Sahrauis haben in der Wüste ein Protestcamp errichtet. Seit neun Tagen kommen immer neue Familien mit ihren traditionellen Haimas in das „Camp der Würde“ 20 km südöstlich von El Aaiún, der Hauptstadt der seit 35 Jahren von Marokko besetzten Westsahara. Die Menschen fordern mehr soziale Gerechtigkeit. Anders als bei den Demonstrationen in den vergangenen Jahren in El Aaiún selbst, steht die Forderung nach dem Rückzug der Besatzungsmacht Marokko und Unabhängigkeit der ehemaligen spanischen Kolonie nicht im Vordergrund.
„Wir Sahrauis sind völlig rechtlos“, erklärt der Sprecher des Camps, Omar Zreybia. Die marokkanischen Behörden würden die Sahrauis auf allen Ebenen benachteiligen. So dürften nur Marokkaner Wohnungen und Häuser besitzen. Diese vermieten dann an Sahrauis. Lizenzen für Geschäfte oder Werkstätten gibt es ebenfalls nur für Marokkaner. Und bei der Bildung und bei der Vergabe von Arbeitsplätzen hätten die Sahrauis ebenfalls das Nachsehen.
„Wir wollen die Marginalisierung beenden“, erklärte Zreybia per Handy, als die Verbindung nach bestand. Seit Donnerstag Abend funktionieren die Handys im Protestcamp nicht mehr. Vermutlich haben die Marokkaner die Empfangsantennen in der Region abgeschaltet, erklären sich Sahrauis in Spanien dies.
Die letzten Nachrichten aus El Aaiún sind besorgniserregend. Die marokkanische Regierung hat Stadt und Camp voneinander abgeschnitten, um zu verhindern, dass weitere Menschen zu der Protestaktion stoßen. Nach Angaben aus dem Camp selbst sind über 2.000 Soldaten und Polizisten rund um die Zeltstadt zusammengezogen worden. Hubschrauber überfliegen immer wieder das „Camp der Würde“. Durch die Blockade werden dort mittlerweile Lebensmittel und Medikamente knapp.
Die Protestaktion fällt mit der Rundreise des UN-Sonderbeauftragten für die Westsahara, Christopher Ross, zusammen. Dieser besuchte am Freitag als letzte Station seiner mehrtägigen Tour die marokkanische Regierung in Rabat. Zuvor war er in Mauretanien, Algerien und in den Flüchtlingscamps der sahrauischen Befreiungsbewegung Polisario im südwestalgerischen Tindouf. Dort traf er mit dem Chef der sahrauischen Exilregierung, Mohamed Abdelaziz, zusammen. Ross will die beiden Konfliktparteien Anfang November an den Verhandlungstisch zurückzuholen. „Wir müssen dringend die Spannung verringern und alles verhindern, was den Fortgang der Verhandlungen erschweren könnte“, erklärte der UN-Beauftragte in der mauretanischen Hauptstadt Nouakchott. Seit Anfang der 1990er Jahre herrscht zwischen Marokko und der Polisario ein Waffenstillstand. Marokko hat seither eine Volksabstimmung über die Zukunft der ehemaligen spanischen Kolonie erfolgreich verhindert.