Lola Vila rennt und springt. Dennoch ist der erste Spaziergang nach 42 Tagen Coronavirus-Ausgangssperre für die Vierjährige alles andere als perfekt: „Der Spielplatz ist zu, ich darf niemanden in den Arm nehmen und nichts anfassen“, erzählt die Kleine, die mit ihrer Mutter Yolanda Sáez unterwegs ist. „Und ich darf nur mit Mama oder mit Papa raus. Das haben sie im Fernsehen gesagt“, fügt sie hinzu.
Lola ist richtig informiert. Seit Sonntag dürfen Kinder bis 14 Jahre in Spanien in Begleitung eines Elternteils, eine Stunde und bis zu einem Kilometer von zu Hause entfernt spazieren gehen. Angst hat Lola nicht. „Mit der Maske bleibt das Coronavirus draussen“, ist sie sich sicher.
Auch wenn pro Elternteil bis zu drei Kinder raus dürfen, war Lolas 13-jähriger Bruder Marcos bereits eine Stunde früher unterwegs – mit Vater Diego Vila, der wollte schließlich auch vor die Tür. „Frische Luft und Sonne tut mir gut“, sagt Marcos, der mit seiner Familie in einer dunklen Parterre-Wohnung lebt. Doch richtig begeistert ist er nicht. „Selbst wenn ich Freunde treffen sollte, muss ich Abstand halten“, berichtet er von der Regeln des „ersten Schritts zur neuen Normalität“, wie die Regierung die Spaziergänge für Kinder getauft hat. So bleiben Skype, WhatsApp und online Videospielen die einzigen Kontaktformen mit den Kumpels, nach getaner von den Lehrern per Internetplattform geschickten Hausaufgaben, versteht sich.
Marcos macht das Virus Sorgen. „Nicht wegen mir. Ich bin sehr jung, mir kann nich wirklich was passieren. Aber wenn meine Großeltern es bekommen, kann das schlimm enden“, befürchtet er.
Manche Kinder wollten erst gar nicht vor die Tür, so die vierjährige Helia Gutiérrez: „Der Spielplatz ist zu, die Freunde und Schule sind nicht da …“ – Warum also rausgehen? Zu Hause hat sie alles, eine helle Wohnung, beide Eltern den ganzen Tag für sich und sogar ein kleines Campingzelt, in das sie sich zurückziehen kann.
Mittlerweile haben die Eltern Helia überzeugt. Dass sie den Roller mitnehmen darf und Papa sie schieben will, war dabei nicht ganz unerheblich. Stolz berichtet sie, was sie in den letzten Wochen gelernt hat: „Coronavirus ist ein kleines Tierchen, dass ganz tief in die Lunge geht.“ Helias Hoffnung: “… dass es fortgeht, irgendwo anders hin“.
Bei Izán Vílchez hat alles Zureden nicht genutzt. Er hat selbst seine beiden Schwestern überzeugt, zu Hause zu bleiben, aus Angst „das Virus in die Familie einzuschleppen.“ „Kinder stecken sich leicht an, oft ohne Symptome. Aber sie übertragen das Virus dann an die Erwachsenen“, hat er sich informiert. „Rausgehen muss es einen Sinn haben. Zum Beispiel, dass ich Mama beim Einkaufen helfe. Sie müsste dann im Supermarkt nichts anfassen“, sagt er.
„Solche Fälle sind die Ausnahme“, weiss Kinderpsychologin Marian Palacios, die an der Universität in Madrid unterrichtet. „Wenn sich die Kinder in Begleitung ihrer Eltern sicher fühlen, gibt es eigentlich keinen Grund, dass sie nicht hinaus wollen.“ Kinder bräuchten Bewegung für ihre Entwicklung. Die Ausgangssperre habe auch eine soziale Komponente, gibt Palacios zu bedenken: „Viele Familien leben auf engstem Raum.“ Doch auch in größeren Wohnungen komme es dieser Tage schnell zu familiären Spannungen. „Die Kinder tollen herum, während die Eltern versuchen, sich auf ihre Telearbeit zu konzentrieren“, sagt sie.
Palacios wünscht sich, „dass wir uns irgendwann wieder in den Arm nehmen und mit Küsschen begrüssen“. Lola wartet darauf, dass der Spielplatz aufmacht und sie schaukeln kann. Helia würde gerne in die „Berge oder ans Meer“. Izan will seine Schulkameraden treffen. Marcos träumt davon, mit seine Kumpels und ohne Erwachsene abzuhängen: „Wir haben uns viel zu erzählen, schließlich haben wir uns lange nicht gesehen.“
Bis es soweit ist, werden sicher noch viele Woche ins Land gehen.