„Sahrauische Ghandi“ wird die zierliche, immer in bunte Stoffe gehüllte Aminatu Haidar gerne genannt. Die Menschenrechtsaktivistin aus El Aaiún, der Hauptstadt der ehemaligen spanischen Kolonie Westsahara, steht wie sonst niemand für den Kampf des Sahrauis gegen die seit 1975 anhaltende Besetzung ihrer Heimat durch Marokko. Dafür erhielt sie jetzt zusammen mit der jungen schwedischen Klimaaktivistin Greta Thunberg, der Streiterin für die Rechte der indigenen Völker im Amazonas-Gebiet, Davi Kopenawa und der Frauenrechtlerin Guo Jianmei aus China den als „alternativer Nobelpreis“ bekannten Right Livelihood Award.
Haidar lebte anders als über 150.000 Sahrauis nie in den Flüchtlingslagern im algerischen Tindouf. Sie wuchs unter der Besatzung auf. Haidar steht der Polisario nahe, die in Tindouf die Exilregierung der Demokratischen Arabischen Republik Sahara unterhält. Erste Kontakte zur Befreiungsbewegung knüpfte sie noch zur Schulzeit auf einer Abschlussfahrt ihres Gymnasiums im Sommer 1987 auf die Kanarischen Inseln. Wieder zurück, schloss sich die Schulabgängerin denen an, die die Besatzung durch Marokko in Frage stellten.
Immer wieder suchte sie Kontakte zu den wenigen internationalen Delegationen, die von Marokko in die Westsahara gelassen werden, und bezahlte damit mit Überwachung und schließlich im Alter von 21 Jahren mit Haft, nachdem sie anlässlich des Besuches einer UN-Delegation mit mehreren Hundert Menschen an einer friedlichen Demonstration für eine Volksabstimmung über die Zukunft der Westsahara teilgenommen hatte. Die Marokkanischen Behörden verbrachten sie für vier Jahre in ein Geheimgefängnis, ohne dass je ein Verfahren stattgefunden hätte. Folter war dort an der Tagesordnung. In der Haft lernte sie ihren Mann kennen, mit dem sie zwei Kinder hat. Sie studierte Literaturwissenschaften.
Für internationale Schlagzeilen sorgte sie vor genau zehn Jahren. Marokko wollte sie nicht zurück ins Land lassen, nachdem sie in den USA einen Menschenrechtspreis erhalten hatte. Haidar trat auf dem Flughafen in Lanzarote in den Hungerstreik. Es kam zu einer internationalen Solidaritätsbewegung und zu einer diplomatischen Krise zwischen der Regierung Madrid und der in Rabat.
Nach 32 Tagen gab Marokko schließlich nach. Haidar, die sich den gesamten Hungerstreik über geweigert hatte, einen spanischen Reisepass anzunehmen, durfte nach El Aaiún zurück. Dort wurde die völlig geschwächte Frau unter Hausarrest gestellt.
Es war nicht der erste Hungerstreik. Bereits 2005 verweigerte sie – damals im Gefängnis – für 47 Tage jegliche Nahrungsaufnahme. Schließlich wurde sie Dank der heimischen Solidaritätsbewegung und internationaler Proteste – unter anderem von Abgeordneten des Europaparlaments – freigelassen.
Seit 2010 kann Haidar wieder reisen und nutzt dies seither für Vorträge über die Situation in ihrer Heimat. Immer wieder beklagt sie Übergriffe und Drohungen gegen sich und auch gegen ihre beiden mittlerweile erwachsenen Kinder.
Der alternative Nobelpreis ist nicht die erste Auszeichung für Haidar. Unter anderem wurde sie 2008 mit den Menschenrechtspreis der Robert F. Kennedy Stiftung, 2009 mit dem Preis für Zivilcourage der Train-Stiftung und 2013 mit dem Bremer Solidaritätspreis ausgezeichnet. 2008 war sie für den Friedensnobelpreis und 2005 für den Sacharowpreis der EU nominiert.