Wohl kaum jemand, der sich in den 1980er und 1990er Jahren der radikalen Linken im Baskenland, in Spanien und wohl auch im restlichen Europa zuzählte, hat nicht irgendwann einmal zur rhythmischen Musik von Kortatu getanzt. Jetzt ist der hämmernde Bass der Band für immer verstummt. Iñigo Muguruza ist im Alter von 54 Jahren nach einer langen degenerativen Krankheit verstorben.
Iñigo Muguruza und sein knapp zwei Jahre älterer Bruder Fermin machten sich ab 1984 mit der Band Kortatu einen Namen. Sie zogen durch das Baskenland, spielten auf Festen und Demos und hatten schnell auch im restlichen Spanien Erfolg. Auch wenn dort ihre Konzerte immer wieder wegen ihrer ideologischen Nähe zur baskischen Befreiungsbewegung und der bewaffneten Separatistengruppe ETA verboten wurden. Schließlich gingen sie auch auf Tour durch Deutschland, die Niederlande und die Schweiz.
Kortatu war einer der herausragenden Vertreter dessen, was in den späten 1980er Jahren „Rock Radical Vasco“ genannt wurde. Iñigo und Fermin riefen auf Baskisch und Spanisch zur Rebellion („A la calle“), traten für die Unabhängigkeit ihrer baskischen Heimat ein („Linea del frente“), besangen Anekdoten, wie die Flucht eines baskischen Gefangenen in Lautsprecherboxen aus der Haftanstalt („Sarri, Sarri“). Sie rockten über den Frust der städtischen Jugend („Mierda de Ciudad“), besangen „Nicaragua Sandinista“ oder übersetzten „Jimmy Jazz“ von The Clash. Wo sie spielten traf sich alles von Punks über Linksnationalisten bis hin zu Autonomen.
Vier Jahre waren sie ganz oben, bevor sie sich von ihren Fans verabschiedeten. 1990 begannen die beiden Brüder Muguruza mit Negu Gorriak ein neues Projekt. Wieder waren es hochpolitische Texte und wieder waren es schnelle Rhythmen, dieses Mal irgendwo zwischen Rapp, Hipp Hopp und Hardcore. Iñigo war mittlerweile an die Gitarre gewechselt, die er in der Zeit zwischen Kortatu und Negu Gorriak bereits bei der baskischen Delirium Tremens mit Erfolg bearbeitet hatte. Negu Gorriak gilt bis heute als eine der wichtigsten Gruppen in der Geschichte des Rocks auf der Iberischen Halbinsel.
Fermin gab vergangenen Donnerstag (5. September) den Tod seines Bruders auf Twitter bekannt: „Tschüss Iñigo. (…) Bis bald, Bruder, Freund. Es lebe das Leben. Es lebe Iñigo Muguruza!“ schrieb er denen, die wir bis heute nicht still halten können, wenn wir seine Bassläufe oder Gitarrenriffs hören, aus der Seele.