Spaniens Tierschützer dürfen hoffen. Die Umfragen für die Parlamentswahlen am kommenden Sonntag sagen der Partei für Tierrechte und gegen die Misshandlung von Tieren (PACMA) zwei Abgeordnete vorher. Den einen Sitz könnten sie im Wahlkreis Barcelona erringen, den anderen in Valencia. Und wenn alles richtig gut läuft, könnte gar in Madrid ein dritter Sitz an PACMA gehen. Damit würden erstmal „Animalistas“ ins spanische Parlament einziehen. Im benachbarten Portugal gelang dies der dortigen Partei für Tiere und Natur (PAN) bereits 2015.
PACMA, die 2003 als reine Anti-Stierkampforganisation gegründet wurde, sieht in der Abschaffung der umstrittenen, spanischen Tradition nach wie vor ihr Hauptanliegen. „Unsere Stimme wird dazu da sein, dass die künftige Regierung den Stierkampf verbietet“, erklärt Laura Duarte, PACMA- Spitzenkandidatin im Wahlkreis Madrid. Es sieht alles danach aus, dass diese Regierung erneut von den Sozialisten unter dem bisherigen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez gestellt wird. Doch eine Mehrheit wird Sánchez nicht haben. Damit braucht er Partner im Parlament, die ihn offen unterstützen oder zumindest tolerieren. PACMA ist dazu bereit. Die Stiere wären der Preis.
Doch PACMA will mehr sein, als eine reine Tierschutzpartei. Im Wahlprogramm verteidigt die Partei das öffentliche Bildungs- und Gesundheitssystem. Und in einem Wahlkampfvideo, der in den sozialen Netzwerken viel Aufmerksamkeit erregte, setzt sich PACMA für Frauen- und LGTBI-Rechte, Immigranten und Behinderte ein. Sie verteidigt diese Gruppen gegen die Angriffe durch den anderen Shooting-Star der kommenden Wahlen, die rechtsradikale Partei VOX, die sich mit Frauenfeindlichkeit, Verteidigung der traditionellen Familie, des Stierkampfs und der Jagd sowie mit Ausländerfeindlichkeit Hoffnung auf um die 30 Abgeordnete machen darf. „ReEvolución“ heisst das Motto, mit dem sich PACMA VOX entschlossen entgegenstellt und damit viel Zustimmung auf der Linken erntet.
Die Zielgruppe ist klar. PACMA will die Stimmen derer, die von der linksalternativen Unidas Podemos unter Pablo Iglesias enttäuscht sind. Der Politikprofessor, der vor vier Jahren Hoffnung auf einen politischen Wandel auslöste, hat mittlerweile den Ruf des Erneuerers verloren. Dazu trugen unter anderem der Zusammenschluss von Podemos mit den Postkommunisten zu Unidas Podemos, sowie eine innerparteiliche Säuberungswelle gegen all diejenigen, die dies kritisierten, bei. Wer von Unidas Podemos enttäuscht ist und nicht die Sozialisten von Sánchez wählen will – was viele tun werden – dem wird bei PACMA eine neue Heimat angeboten. In den großen Städten Spaniens macht die Tierschutzpartei dort Straßenwahlkampf, wo einst Podemos überdurchschnittlich gut abschnitt. Iglesias weiß dies und lässt sich mittlerweile besonders gerne mit seinem Hund ablichten.
Fehler in letzter Minute könnten den Einzug ins Parlament allerdings gefährden. So sorgte die PACMA-Vorsitzende Silvia Barquero mit einem Interview für Unverständnis. Danach befragt, ob es nicht richtig sei, neue Medikamente zuerst an Tieren zu testen und dann an Menschen, antwortete sie „Das ist das ewige Dilemma: Deine Mutter oder dein Hund.“ Eine Gleichstellung, die nur wenige in Spanien nachvollziehen können und wollen.
Und die Madrider Kandidatin Duarte drehte einen ganz besonderes Video um die Stierkämpfer als „feige Folterer friedliebender Tiere“ darzustellen. Sie fütterte den riesigen, schwarzen Marius, der ihr trotz seiner gefährlich wirkenden Hörner zärtlich Respekt entgegenbringt. Wäre da nur nicht dieser Kameraschwenk gewesen. Der zeigt, dass Marius neben seinem Penis etwas ganz entscheidendes fehlt: Die Hoden. „Für Tierschützer habt ihr wenig Ahnung von Tieren. Das ist ein Ochse“, twittert der Stierkämpfer Cayetano Rivera und lädt Duarte dazu ein „einen Kampfstier zu streicheln“. Es sei“verantwortungslos, den Menschen glauben zu machen, sie könnten einen Stier liebkosen“, fügt Rivera hinzu.