Ein Faustschlag mitten ins Gesicht einer Frau sei „eine legitime Technik“ und habe sogar einen Namen. „Atemi“ heiße dies und es handle sich um eine japanische Kampftechnik, bestehend aus „schnellen, abrupten Schlägen“. Die geschlagene Frau vor der Schule Monserdà sei „sehr nervös“ gewesen, und er habe sie so „beruhigen müssen“.
Dies erklärte ein Polizeibeamter bei seinem Verhör vor dem Ermittlungsgericht Nummer 7 in der katalanischen Hauptstadt Barcelona. Dort werden seit Wochenbeginn 24 Mitglieder der Sondereinsatzeinheiten verhört, die beschuldigt werden, beim katalanischen Unabhängigkeitsreferendum am 1. Oktober 2017 „unverhältnismässig“ gegen die Wähler und Wählerinnen vor sieben Wahllokalen in Barcelona vorgegangen zu sein. Am Tag des durch die Madrider Zentralregierung unter dem damaligen konservativen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy verbotenen Referendum, wurden laut Angaben der katalanischen Gesundheitsbehörden knapp 1.000 Menschen bei Polizeieinsätzen verletzt.
Der selbe Beamte muss sich für einen weiteren Übergriff rechtfertigen. Bilder zeigen, wie er eine Frau in den Mund greift und sie so über den Boden schleift. Er habe der Betroffene angekündigt, dass er einen „Schmerzpunkt“ reizen würde, sollte sie der Aufforderung zu gehen, nicht nachkommen. Auf dem Video freilich ist nichts von einer solchen Belehrung zu sehen.
Ein anderer Beamte, der eine Frau in der Pau-Claris-Schule förmlich die Treppe hinunter trat, gab an, diese sei von sich aus gestürzt. Ein ebenfalls als Beschuldigter befragte Vorgesetzte rechtfertigt brutale Schlagstockeinsätze. Es sei eine übliche, auch das Gesicht zum Ziel zu nehmen. Alles hänge von der „Angriffslust“, der jeweiligen Zielperson ab.
Es sei wichtig gewesen die „Sicherheitszone zwischen den Einsatzfahrzeugen und den Eingängen der Wahllokale“, die in Schulen untergebracht waren, „zu säubern“ und dabei „schnell zu sein“, erklärt einer der Gruppenführer. Seine Beamten hätten sich „menschlichen Mauern“ gegenüber gesehen. Die Versammelten seien aggressiv gewesen und hätten ständig gerufen „Wir werden wählen!“. Das Fotos mit offene, blutenden Verletzungen bei Opfern des Eisatzes, zweifelte der Gruppenführer an. Es könne sich auch um Farbe handeln.
Von einen „organisiertem, gewalttätigem Verhalten“ der Wähler ist freilich auf den Videos, die jetzt dem Gericht als Beweismittel dienen und die am 1. Oktober 2017 weltweit die Nachrichten aufmachten, nichts zu sehen. Die Aufzeichnungen der Körperkameras der Einsatzkräfte wurden dem Gericht nur teilweise zugänglich gemacht. Mitschnitte aus dem Polizeifunk gibt es ebenfalls nicht, denn die Einsatzgruppen hatten diesen abgeschaltet und sich statt dessen – völlig rechtswidrig – über Handy verständigt. Wer im Organisationsstab der rund 6.000, eigens für das Referendum nach Katalonien verlegten Polizisten sass, ist ebenso unbekannt.
Der für Bürgerrechte zuständige stellvertretende Bürgermeister von Barcelona, Jaume Asens, fordert die Regierung in Madrid deshalb auf, die Ermittlungen zu unterstützen. Dort regieren mittlerweile die Sozialisten. Doch anstatt den Richtern umfassend Informationen zukommen zu lassen, zeichnete das Innenministerium den ehemaligen Regierungsdelegierten Enric Millo aus. Dieser war als Gesandter der Zentralregierung direkt für den Einsatz verantwortlich.