Der Sozialist Pedro Sánchez bringt mit seinem Misstrauensvotum gegen den bisher regierende Chef der konservativen Partido Popular (PP) Mariano Rajoy die Mehrheit der Abgeordneten des spanischen Parlamentes hinter sich. Sánchez hatte den Antrag gestellt, nachdem vergangene Woche ein schweres Korruptionsurteil gegen Rajoys PP gefällt worden war. Die letzten Stimmen, die Sánchez fehlten, waren die der Baskisch Nationalistischen Partei (PNV). Der Vorstand der baskischen Regierungspartei tagte den ganzen Vormittag über. Schließlich beschloss der Vorstand, Sánchez zu unterstützen. „Wir stimmen dem Misstrauensvotum zu, weil das die Mehrheit der baskischen Gesellschaft so sieht“, erklärte der PNV-Sprecher Aitor Esteban.
Will Rajoy seine PP an der Regierung, bleibt ihm nur noch der Rücktritt vor der Abstimmung am Freitagnachmittag. Er wäre dann geschäftsführender Regierungschef, bis König Felipe VI. einen neuen Politiker mit der Regierungsbildung beauftragt und dieser die Mehrheit auf sich vereint. Eine Möglichkeit wäre die Kandidatur von Rajoys Stellvertreterin Soraya Sáenz de Santamaría. Würde dies nicht gelingen, muss Spanien erneut wählen. Rajoy blieb am Donnerstagnachmittag der Debatte fern.
Die zweitägige Debatte hatte am Donnerstag früh mit einem Schlagabtausch der beiden Kontrahenten begonnen. Das Misstrauensvotum sei aus „demokratischer Hygiene“ notwendig, erklärte Sánchez. Der Sozialist bezog sich immer wieder auf das Urteil im Falle des Netzwerks Gürtel von vergangener Woche. Mehrere ehemalige Politiker aus den Reihen von Rajoys Partido Popular (PP) wurden zu hohen Haftstrafen unter anderem wegen Korruption und Geldwäsche verurteilt. Unter ihnen Luis Bárcenas, der jahrelang unter Rajoy Schatzmeister der Partido Popular (PP) war, und das Schwarzgeld aus dem Netzwerk Gürtel verwaltete. Die PP als solche wurde als Nutznießer zu einer Geldstrafe verurteilt. Rajoy selbst hatte als Zeuge vor Gericht nicht wahrheitsgemäß ausgesagt, so steht es im mehr als 1600 Seiten starken Urteil.
Rajoy warf Sánchez vor, das Misstrauensvotum eingebracht zu haben, da er „nie die Wahlen gewinnen wird“. Sánchez strebe eine „Regierung Frankenstein“ an, die sich auf viele, unterschiedliche Strömungen stützt. Das würde Spanien in die Instabilität stürzten, warnte Rajoy. Er sprach immer wieder von der Krise, die er einst beim Wahlsieg 2011 von den Sozialisten geerbt und dann erfolgreich überwunden habe. Beim Gedanken an eine Regierungswechsel würden bei den „Märkten überall rote Lichter angehen“. Rajoy sollte sich täuschen. Der Risikozuschlag für spanische Staatsanleihen ging im Lauf der Debatte um 9 Punkte zurück und die spanische Börse legte leicht zu.
Neben den 85 Stimmen seiner Fraktion sind es die 67 der linksalternativen Podemos, sowie die mehrerer Regionalparteien aus Valencia, dem Baskenland und Katalonien. Insgesamt sind dies 180 der insgesamt 350 Abgeordneten.
Darunter befinden sich auch die separatistische Republikanische Linke Kataloniens (ERC) und die Demokratisch Europäischen Partei Kataloniens (PdeCAT), die zusammen in Katalonien regieren. Der katalanische Ministerpräsident Quim Torra, der mit einer neuen Regierung erreichte, dass Madrid die Zwangsverwaltung aufhebt, will einen Dialog mit der spanischen Regierung. Sánchez, dessen Partei bisher die Zwangsverwaltung unterstützte, versprach jetzt genau das.
Rajoy griff das Thema Katalonien immer wieder auf. Sánchez würde mit den Stimmen derer rechnen, die „Spanien zerstören“ wollen. Die rechtsliberalen Ciudadanos (Cs) nahmen dieses Argument zum Anlass, um ihre Stimme gegen Sánchez und somit für Rajoy anzukündigen. „Heute ist ein furchtbarer Tag für Spanien“, erklärte Cs-Chef Albert Rivera vor der Parlamentsdebatte.
Sánchez hatte bis zum Schluss um die Stimmen der PNV geworben. Er versprach den erst vor zehn Tagen im Parlament verabschiedeten spanischen Haushalt aufrechtzuerhalten. Die PNV hatte dem Haushalt Rajoys zugestimmt, da das Baskenland darin reichlich bedacht wird./Foto: PSOE