Carles Puigdemont gibt nicht auf. Der in Deutschland auf eine Urteil über den spanischen Auslieferungsantrag wartende, ehemalige katalanische Ministerpräsident will erneut ins Amt. Auf einer in Berlin einberufenen Fraktionssitzung der Abgeordneten seiner Liste „Gemeinsam für Katalonien“ (JxCAT) fiel der Entschluss, den 55-jährigen Journalisten und einstigen Bürgermeister der Provinzhauptstadt Girona bis spätestens am 14. diesen Monats wieder zum „President de la Generalitat“ – so der Titel des Amtes – zu machen. JxCat kann mit den Stimmen der Abgeordneten der Republikanischen Linken (ERC) und die der Kandidatur der Volkseinheit (CUP) rechnen. Zusammen verfügen sie über die absolute Mehrheit im katalanischen Parlament.
Carles Puigdemont: Nach dem virtuellen Wahlkampf – hier in seinem Geburtsort Amer – jetzt die Amtseinführung per Skype?
Es ist der zweite Anlauf Puigdemonts, Sohn einer Konditorenfamilie in einem 2.000-Seelen-Ort. Bereits Ende Januar sollte er ins Amt gewählt werden. Das scheiterte am spanischen Verfassungsgericht, das von der konservativen Regierung in Madrid unter Mariano Rajoy angerufen worden war. Puigdemont, der wegen Rebellion und Veruntreuung öffentlicher Gelder gesucht wird und seit Anfang Ende Oktober ausser Landes ist, könne nicht kandidieren, den er müsse persönlich sein Regierungsprogramm vortragen, hieß es damals.
Am vergangenen Freitag haben die Befürworter der Unabhängigkeit Kataloniens in der Volksvertretung deshalb das Reglement geändert. Jetzt ist ausdrücklich auch eine Antrittsrede per Videokonferenz möglich.
Gegen Puigdemont, vier ebenfalls im belgischen und schottischen Exil lebenden Minister seiner Regierung, sowie gegen zwei weitere katalanische Politikerinnen, die sich in der Schweiz aufhalten, laufen Auslieferungsanträge. Doch es sieht schlecht aus für die spanische Justiz. Denn Deutschland und wohl auch Belgien erkennen den Straftatbestand der „Rebellion“ nicht an. Denn weder bei der Abhaltung des verbotenen Unabhängigkeitsreferendums am 1. Oktober noch bei der Erklärung der Unabhängigkeit am 27. Oktober kam es zu Gewalt. Und in Sachen „Veruntreuung“ widerspricht selbst der spanische Finanzminister Cristóbal Montoro dem Gericht. „Ich weiss nicht, wie der 1. Oktober finanziert wurde. Aber es war nicht mit öffentlichen Geldern“, versichert er. In Spanien selbst sitzen dennoch wegen dieser Vorwürfe sieben ehemalige Minister und zwei Aktivisten seit Monaten in Untersuchungshaft. Madrid setzte Ende Oktober mit Hilfe des Verfassungsartikels 155 die katalanische Regierung ab und stellte die autonome Region unter Zwangsverwaltung.
Die Regierung in Madrid will auch weiterhin um jeden Preis eine Rückkehr Puigdemonts ins Amt verhindern. Rajoy kündigte an, eine Fernwahl Puigdemonts richterlich anzufechten. Er dürfte damit zumindest bis zu einer ausführlichen Prüfung, die Monate dauern kann, Erfolg haben. Die stärkste Kraft im katalanischen Parlament, die für die spanische Einheit streitenden rechtsliberale Bürgerpartei Ciudadanos unterstützt Rajoy dabei ebenso, wie die Sozialisten.
Die Befürworter der Unabhängigkeit denken deshalb bereits über eine Alternative nach. Die 42-jährige Wirtschaftswissenschaftlerin mit Studium an der US-Universität Havard, Elsa Artadi, soll bis spätestens zum 22. Mai zur Ministerpräsidentin gemacht werden, falls Puigdemont erneut an den Richtern scheitert. Gelingt das nicht, läuft die Frist ab und es müssen Neuwahlen ausgerufen werden. Das Risiko die absolute Mehrheit im Parlament zu verlieren, will niemand auf sich nehmen, auch wenn Umfragen nicht unbedingt davon ausgehen.
Seit den von Madrid angeordneten Neuwahlen am 21. Dezember versuchte die Mehrheit der Unabhängigkeitsbefürworter bereits vier Mal eine Regierung zu wählen. Alle scheiterten an Ermittlungsrichter Pablo Llarena, der für die Verfahren gegen die katalanischen Politiker verantwortlich zeichnet. Puigdemont war im Ausland, seine Nummer 2, Jordi Sànchez, der es gleich zwei Mal versuchte, in Untersuchungshaft, und der Ex-Minister im Präsidentialamt Jordi Turull erhielt nicht die nötigen Stimmen und wurde am Tag nach der Parlamentssitzung in Haft genommen.
„Puigdemont wird früher oder später zum Präsidenten gewählt werden“, ist sich Artadi sicher. Sie hofft, dass eine Prüfung des neuen Reglements durch das Verfassungsgericht letztendlich zu Gunsten der Reform und damit der Fernwahl ausgehen wird. Denn das Reglement sei einzig und alleine Sache des autonomen, katalanischen Parlaments, erklärt die engste Vertraute Puigdemonts in der Fraktion von JxCat.
Egal ob er zum katalanischen Ministerpräsidenten gewählt wird oder nicht, Puigdemont macht sich keine Illusionen über seine Zukunft. Nach Spanien kann er nicht zurück, ohne sofort hinter Gittern zu landen. Deshalb mache er keine Pläne, erklärte er jüngst in einem Interview gegenüber der Tageszeitung The Times. „Im schlimmsten Fall werde ich nach Spanien ausgeliefert. Das bedeutet, Jahrzehnte im Gefängnis. Wenn nicht, werde ich wahrscheinlich viele Jahre im Exil verbringen“, beendet er das Gespräch mit dem britischen Blatt.