© 2013 Reiner Wandler

Opfer oder Mittäter?

tarragona

Faschisten hissen Fahnen am Rathaus von Tarragona nachdem Einzug der Franco-Truppen am 15. Januar 1939. Foto: Wikimedia

Spaniens Bischofskonferenz sprach am Sonntag 522 Bischöfe, Priester und Ordensangehörigen selig, die im spanischen Bürgerkrieg (1936-1939) ermordet worden waren. 25.000 Gläubige kamen zu der Messe im katalanischen Tarragona, unter ihnen die Innen- und Justizminister der konservativen spanischen Regierung sowie der Autonomiepräsident Artur Mas. Die größte religiöse Zeremonie dieser Art, die Spanien je gesehen hat, wurde von der katholischen Kirche als „Akt des Friedens und der Aussöhnung“ gepriesen. Kirchenkritiker sprechen hingegen von einer Veranstaltung, „die alte Winden wieder öffnet.“

Die Seliggesprochenen gelten der katholische Kirche Spanien als „Märtyrern des 20. Jahrhunderts“. Die religiöse Würdenträger und Ordensangehörige, die im Bürgerkrieg durch Handlungen der Truppen und Milizen ums Leben kamen, die Spaniens Republik gegen den faschistischen Putsch unter General Francisco Franco verteidigten, seien „Opfer einer religiöser Verfolgung“. „Es sind viele Tausend, die damals das höchste Zeugnis des Glaubens ablegten“, schreibt der Kardinal Martínez Sistach in einem Hirtenbrief. Vor der gestrigen Messe wurden bereits 1001 „Märtyrer“ seliggesprochen.

„Die Ehrung unser Brüder und Schwestern richtet sich gegen niemanden“, versicherte angesichts der Kritik auch aus den eigenen Reihen, der Erzbischof von Tarragona Jaume Pujol. So warnte die Gruppe Pluralistische Kirche davor, dass die Zeremonie „nicht dazu beiträgt, alte Wunden zu heilen, sondern ganz im Gegenteil“. Außerdem sieht die Organisation, die für eine weitgreifende Reform der Amtskirche eintritt, die Gefahr des „Überschwangs spanisch-nationalistischer Gefühle“. Die Messe fand nur einen Tag nach dem spanischen Nationalfeiertag statt und das in Katalonien, einer Region, die sich von Spanien loslösen möchte.

Die Wahl der Kathedrale von Tarragona sei „paradox“, heißt es weiter. Denn der dortige Kardinal in den Jahren des Bürgerkrieges, Francisco Vidal y Barraquer, war das einzige Mitglied der spanischen Kirchenhierarchie, der sich weigerte den Franco-Putsch als „Kreuzzug“ zu verteidigen. Er musste ins schweizer Exil, wo er 1943 verstarb.

Die Koordination für Laizismus und Würde – ein Zusammenschluss unterschiedlicher Organisationen, Parteien und Gewerkschaften in Tarragona – sammelte im Vorfeld der Messe unter ein Manifest 1.700 Unterschriften. „Der Putsch gegen die legitime regierung der Republik (…) wurde von der Kirche als als Kreuzzug bezeichnete. Er führte zu einem dreijährigen Bürgerkrieg mit Hunderttausende von Toten, Verletzten, Hingerichteten, Exilierten und 40 Jahre Repression und Diktatur, die die ganze Zeit mit dem Segen und der Unterstützung der Kirche rechnen konnte“, heisst es in dem Manifest. Und : „Nach dem Krieg wurden nur die Opfer der Siegerseite anerkannt und entschädigt (…) den Besiegten wurde bis heute nicht erlaubt nach vielen der Verschwundenen zu suchen.“

Angehörige der Opfer der Franco-Repression sprechen von über 2.000 Massengräber, die bis heute nicht gesucht und geöffnet worden sind. Die spanische Regierung unter dem konservativen Mariano Rajoy hat den Angehörigen der Opfer der Repression und Diktatur jegliche Zuschüsse gestrichen.

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