© 2012 Reiner Wandler

Ein perfektes Verfahren

Es hat sich bestätigt, was die Anwälte von Richter – oder besser Ex-Richter – Baltasar Garzón von Anfang an befürchtet hatten. Der bekannte spanische Ermittler wurde im Prozess wegen seiner Untersuchung der spanischen Vergangenheit freigesprochen. Sein Richteramt ist er dennoch los.


Die drei Verfahren, die gegen ihn eröffnet wurden, ergänzten sich zur Perfektion und erlaubten ein perfides Spiel. Zeitlich aufeinander abgestimmt, halfen sie den unbequemen Jurist, der gegen hochrangige Korruptionsverdächtige aus dem Umfeld der regierenden Volkspartei (PP) von Ministerpräsident Mariano Rajoy vorging, den schmutzigen Krieg der sozialistischen Regierung gegen mutmaßliche Separatisten untersuchte und nach der Verfolgung der Verantwortlichen für die Verbrechen der Diktaturen in Lateinamerika auch Spaniens tragische Vergangenheit aufarbeiten wollte, für seinen Mut abzustrafen. Garzón wurde bereits vergangene Woche entlassen, nachdem er in einem anderen Fall zu elf Jahren Berufsverbot verurteilt wurde. Das Abhören von Anwälten und ihrer der Korruption beschuldigten Klienten im Gefängnis brachte ihm eine Verurteilung wegen Rechtsbeugung ein.

Wenn jemand das Recht gebeugt hat, sind es die Richter am Obersten Gerichtshof. Denn das spanische Gesetz lässt solche Lauschangriffe zu. Viele Ermittlungsrichter – unter ihnen auch Garzóns Nachfolger im Fall der Korruptionsermittlungen – greifen zu diesem Mittel, wenn sie davon ausgehen, dass die Gefangenen und ihre Anwälte vom Gefängnis aus weiter kriminellen Machenschaften nachgehen. Oft werden die Abhörprotokolle beim Hauptverfahren als Beweise nicht zugelassen, ein Richter wurde dafür nie belangt.

Das Urteil im ersten Fall, wie auch der gestrige Freispruch sind ganz klar politisch motiviert. Eine Verurteilung im Falle der Untersuchung der Verbrechen gegen die Menschlichkeit im spanischen Bürgerkrieg und den ersten Jahren der Franco-Diktatur hätte – die nationalen und internationalen Reaktionen der letzten Monate zeigen dies – zu viel Staub aufgewirbelt.

Das Oberste Gericht hat trotz Freispruch sein Ziel erreicht. Die Angehörigen der mindestens 112.000 Verschwundenen und standrechtlich Erschossenen Opfer nach dem Putsch gegen die Demokratie, der in Bürgerkrieg und Diktatur mündete, bleiben weiterhin ungehört. Das nach internationaler Rechtsauffassung ungültige Amnestiegesetz, das nach dem Tod von Diktator Franco erlassen wurde, bleibt bestehen. Die Toten liegen nach wie vor irgendwo verscharrt, ohne dass ein Ermittler nach ihnen suchen würde.

Mit Garzón wurde ein bedauerliches Exempel statuiert. Wie um dies zu bekräftigen wurde sein Berufsverbot am 23. Februar rchtskärftig. Jeder Spanier kennt das Datum. Es ist der Jahrestag eines gescheiterten Putschversuches rechter Militärs und Polizisten gegen die junge Nach-Franco-Demokratie 1981.

Zwar könnten regionale Gerichte das Verfahren erneut aufrollen, doch nach dem was mit Garzón passiert ist, wird sich niemand mehr an das heiße Eisen wagen. Spanien ist das einzige europäische Land, das sich seiner Vergangenheit nicht stellt.

Was bisher geschah: