© 2013 Reiner Wandler

Ein Jahr Arbeitsmarktreform

Billige Entlassungen, prekäre Arbeitsbedingungen
Spaniens Gewerkschaften hatten lautstark vor der Arbeitsmarktreform gewarnt: Als „ungerecht, unnütz und wirkungslos“ bezeichneten sie das Gesetz das dem konservativen regierungschef Mariano Rajoy bis heute als Glanzstück seines Reformpaketes gilt. Es würde zusätzliche Arbeitsplätze vernichten, klagten die Arbeitnehmervertreter und riefen zum Generalstreik. Sie sollten Recht behalten.

Im ersten Jahr der Regierng Rajoy gingen knapp 900.000 Arbeitsplätze verloren. 26 Prozent – 6 Millionen Menschen – sind mittlerweile in Spanien arbeitslos. Bei jungen Arbeitnehmern sind es knapp 50 Prozent. Die Spanische Zentralbank prophezeit ein weiteres Jahr der Rezzession und bis Ende 2013 27,1 Prozent Arbeitslosigkeit.

Seit die Arbeitsmarktreform vor 12 Monaten in Kraft trat wurden 33 Prozent Prozent mehr Verfahren zur Massenentlassung eingeleitet. Die Unternehmer hatte – so scheint es – auf das Gesetz gewartet.

In Spanien gibt es keinen Kündigungsschutz vergleichbar mit dem in Deutschland. Die größte Hürde für den Unternehmer ist die Abfindung. Und diese wird im neuen Gesetz deutlich gesenkt und die Bedingungen für Entlassungen gelockert. Wirtschaftlich begründete Entlassungen können jetzt bereits dann durchgeführt werden, wenn das Unternehmen drei Quartale lang schlechtere Ergebnisse erzielt, als im Vorjahreszeitraum, oder einfach nur für die Zukunft rote Zahlen befürchtet. Ist eine Entlassung wirtschaftlich begründet, sind gesetzlich 20 Tageslöhne pro gearbeitetem Jahr, bei einer Höchstsumme von 24 Monatsgehältern vorgeschrieben. Sollte sich vor Gericht herausstellen, dass eine Entlassung doch nicht gerechtfertigt war, werden 33 Tageslöhne pro gearbeitetes Jahr, bei einer Höchstsumme von zwölf Monatslöhnen, fällig. Vor der Reform waren es 45 Tage und maximal 42 Monate. 62 Prozent aller Entlassungen wurden in den vergangenen Jahren auf diese Art abgewickelt.

„Ist die Gefahr entlassen zu werden sehr gering, wird der Anreiz für Leistung genommen und es entsteht Widerstand gegen die Anpassung an neue Notwendigkeiten“, schrieb die Regierung in der Begründung für die Reform ganz offen. Der sogenannte „Vertrag zur Unterstützung des Unternehmers“ mit einer Probezeit von einem Jahr statt den üblichen 3 Monaten, folgt dieser Logik ebenso, wie ein schlecht bezahlter, einjährigen Anlernvertrag für Menschen unter 30. Wenn die Ergebnisse eines Unternehmens zwei Quartale lang rückläufig sind, können Vertragsbedingungen, wie Löhne, Arbeitszeit oder Einsatzort vom Unternehmen geändert werden. Wer damit nicht einverstanden ist, hat das Recht „sich selbst zu entlassen“. Der Betroffene nimmt die Abfindung und geht.

Es ist die 52. Mal, dass das Arbeitsmarktgesetzgebung in den vergangenen 35 Jahren geändert wurde. „Alle Reformen förderten zeitlich begrenzte, prekäre Arbeitsverhältnisse in Zeiten des Wachstums und in Krisenzeiten haben sie die Zerstörung von Arbeitsplätzen nicht aufgehalten sondern gar noch angekurbelt“, heißt es in einer Studie der Gewerkschaft CCOO. Schuld an der hohen Arbeitslosigkeit sei das spanische Wirtschaftsmodell, das auf schnellen Gewinn in unproduktiven Bereichen wie der Bauwirtschaft gegründet ist, anstatt qualifizierte Arbeitsplätze zu schaffen.

Dabei hätte es durchaus Alternativen zur Arbeitsmarktreform gegeben. Gewerkschaften und Arbeitgeber hatten eine „Regelung zur internen Flexibilisierung“ ausgehandelt. Sie orientierte sich ein stückweit an der deutschen Kurzarbeit. In Krisenzeiten sollten Unternehmensleitung, Gewerkschaften und Betriebsrat gezielte Arbeitszeitverkürzungen, Umverteilung der verbleibenden Arbeit sowie zeitlch begrenzte Arbeitslosigkeit vereinbaren können.

Die Verhandlungspartner versprachen sich davon einen stabileren, weniger prekären Arbeitsmarkt, der qualifizierte Arbeitnehmer auch in der Krise an ein Unternehmen bindet. Doch die Regierung Rajoy ignorierte diese Ideen einfach.

Was bisher geschah: