© 2013 Reiner Wandler

Portugal gegen die Troika

Die Wut auf die Sparpolitik nimmt zu. Hieß das Motto von „Zum Teufel mit der Troika!“, der portugiesischen Facebookplattform gegen die Intervention der Europäischen Union (EU), der Europäischen Zentralbank (EZB) und des Internationalen Währungsfonds (IWF), im vergangenen Herbst noch „Gebt uns unser Leben zurück!“, stand am Samstag auf den Haupttransparenten der Demonstration gegen die Sparpolitik in über 30 Städten: „Das Volk ist es, das am meisten bestimmt“.

Eine halbe Million waren in Portugals Hauptstadt Lissabon dem Aufruf des Internetbündnisses gegen die Troika gefolgt. Im ganzen Land waren es laut Veranstalter weit über eine Million der rund 11 Millionen Portugiesen. „Die größten Demonstrationen, die das Land je gesehen hat“, erklärte die Internetplattform. Die Proteste wurden von zahlreichen Intellektuellen, von der CGTP, der größten Gewerkschaft des Landes und von der politischen Linken unterstützt.
Das Motto „Das Volk ist es, das am meisten bestimmt“ hat in Portugal ganz besondere Symbolkraft. Der Satz stammt aus dem Lied „Grandola Vila Morena“, das einst am 25. April 1974 als Signal an die rebellischen Armeeeinheiten im Radio gespielt wurde. Diese rückten daraufhin aus. Es war der Beginn der Nelkenrevolution, die 40 Jahre Diktatur beendete. Am Samstag erklang das Lied erneut auf dem größten Platz in Lissabon, dem Terreiro do Paço, gesungen von Hunderttausenden. Anschließend forderten sie lautstark den Rücktritt der Regierung.
Nur wenige Straßen vom Terreiro do Paço entfernt sind derweilen „die Männer in Schwarz“, die Rechnungsprüfer der Troika am Werk. Sie kontrollieren die Bücher der portugiesischen Regierung, um dann zu entscheiden, ob eine nächste Rate der insgesamt 78 Milliarden Euro aus dem EU-Rettungsschirm an das arme, südwesteuropäische Land ausgezahlt wird.
„Nach einem Haushalt, der alles zerstört und nichts aufbaut, kommt der IWF und sagt erneut, das es immer noch zu wenig ist. Um die Zinszahlungen für die Schulden zu garantieren, um die Banken und Banker zu retten, um private Unternehmen zu speisen, setzt der IWF auf mehr Arbeitslosigkeit, immer unwürdigere Reformen, weniger öffentliche Dienstleistungen, die Zerstörung des öffentlichen Gesundheits- und Bildungssystems …“, heißt es im Aufruf der Anti-Troika-Plattform, die keine Führung und keine Sprecher kennt. Insgesamt hat Portugal im aktuellen Haushalt 5,3 Milliarden Euro eingespart, um das Defizit bis Ende 2014 auf die von der EU geforderten 3 Prozent zu drücken.
Die Löhne wurden gesenkt. Zu Jahresbeginn wurde eine Sonderlohnsteuer von 3,5 Prozent eingeführt, das Arbeitslosengeld um sechs Prozent und die Renten von über 1350 Euro monatlich um 3,5 Prozent gekürzt. Es hilft alles nichts.
Laut Berechnungen der Regierung und der Troika müssen in den kommenden zwei Jahr weitere vier Milliarden Euro eingespart werden. Portugals Wirtschaft schnürt die Sparpolitik die Luft ab. Die Arbeitslosigkeit liegt mittlerweile bei knapp 18 Prozent. Bei den Unter-25-Jährigen sind es gar 40 Prozent. Portugal steckt in einer tiefen Rezession. Im letzten Quartal schrumpfte die Wirtschaft um 3,9 Prozent. Für 2013 sollen es weitere zwei Prozent sein. „Die Regierung hängt an einem seidenen Faden. Sie hat keine politische, keine moralische und keine ethische Legitimität mehr“, erklärte der Generalsekretär der CGTP, Arménio Carlos, am Rande der Proteste in Lissabon.

Was bisher geschah: