© 2012 Reiner Wandler

Mas manövriert sich in Aus

Es hatte etwas von unfreiwilligem Humor. Wer am Wahlabend auf der Seite der katalanischen Tageszeitung El Periódico die Videos über den Autonomiepräsidenten Artur Mas anklickte, wurde mit einer Handywerbung bedacht. „Was für ein perfekter Tag“, sang eine Frauenstimme auf Englisch bevor ein völlig geschlagener Mas auf dem Bildschirm erschien. „Wir haben die Mehrheit, die wir wollten, nicht erhalten“, gestand er unumwunden seine Niederlage ein. Seine nationalistisch-konservative Convergència i Unio (CiU) verlor 12 der bisher 62 Sitze. Damit ist Mas zwar immer noch Wahlsieger, doch ist er weiter den je von der Parlamentsmehrheit von 68 Sitzen entfernt. Der Nationalist hatte die Wahlen um zwei Jahre vorgezogen. Mit einer Kampagne für die Unabhängigkeit Kataloniens wollte er seine Macht stärken. Entgegen aller Wahlumfragen ging dies gründlich schief. Seine CiU erzielte das schlechteste Ergebnis seit 1994.

Zu den strahlenden Siegern der Wahlnacht gehören die beiden separatistischen Formationen, die Republikanische Linke Kataloniens (ERC) und die Kandidatur der Volkseinheit (CUP). ERC konnte die Zahl der Angeordneten von 10 auf 21 mehr als verdoppeln und die CUP zieht mit drei Abgeordneten erstmals in Autonomieparlament ein. Das Bündnis aus Postkommunisten und Grünen (ICV) konnte ebenfalls Zugewinne verbuchen und ist künftig mit 13 (+3) Abgeordneten vertreten.
Neben CiU gehörten die Sozialisten zu den Verlierern. Die PSC – Teil der spanischen PSOE – zahlte auch bei den katalanischen Wahlen für die Krisenpolitik des einstigen spanischen Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero und sank von 28 auf 20 Abgeordnete.
Im spanisch-zentralistisch ausgerichteten Lager, verbesserte sich die in Madrid regierende Volkspartei (PP) von Ministerpräsident Mariano Rajoy leicht von 18 auf 19 Vertreter. Die kleine Formation Ciutadans (Bürger), die am entschiedensten für ein spanisches Katalonien eintritt, verdreifachte ihre Abgeordneten auf jetzt neun.
Mas hatte um „eine ausserordentliche Mehrheit“ gebeten und „ein ausserordentliches Fiasko“ – wie die ihm nahestehende Tageszeitung aus Barcelona La Vanguardia titelte – eingefahren. „CiU hat alleine nicht die Kraft, um den Prozess und die Regierung zu führen. Andere müssen auch Verantwortung tragen (…), den sonst wäre das Land unregierbar“, gestand der CiU-Chef in der Wahlnacht ein. Er stünde weiterhin zu seinem Wahlversprechen, Katalonien in die Unabhängigkeit zu führen, „doch das ist jetzt schwieriger“.
Bevor er „den Wille eines Volkes“ in einem – rechtlich nicht vorgesehenen – Unabhängigkeitsreferendum mobilisiert, steht Mas vor dringenderen Problemen. In seiner eigenen Partei wurden bereits vor den Wahlen Stimmen gegen den separatistischen Kurs laut. Diese haben nach dem Wahldesaster an Kraft gewonnen.
Außerdem wird das alltägliche Regieren noch schwieriger. Katalonien, die wichtigste Industrieregion Spaniens, ist bankrot. Zwei Monate vor dem Urnengang musste Mas in Madrid um fünf Milliarden Euro Finanzhilfe anfragen. Sein Wunsch nach einen neuen Steuersystem für Katalonien wurde damals vom spanischen Regierungschef Rajoy abschlägig beschieden. Nach der Kampagne zur Loslösung Kataloniens, sind die Beziehungen mit Madrid schwer geschädigt. „Wir müssen angesichts der neuen Etappe alle eine Periode des Nachdenkens einleiten“, beschwor Mas die nationale Einheit bevor er zusammen mit Ehefrau und Parteispitze die katalanische Hymne anstimmte.

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Meine Meinung

Was nun?

Artur Mas ist gescheitert. Der aktuelle und künftig Präsident der Autonomieregierung Kataloniens zog die Wahlen um zwei Jahre vor. Mit dem Versprechen, eine Volksabstimmung über die Unabhängigkeit seiner nord-ost-spanischen Region abzuhalten, lenkte er den Wahlkampf weg von der Krise und der gescheiterten Sozial- und Wirtschaftspolitik. Seine konservativ-nationalistische Convergència i Unió (CiU) wollte sich damit an die Spitze einer breiten Bewegung setzten. Doch CiU brach bei den Wahlen ein. Stattdessen profitierte die linksseparatistische Republikanische Linke Kataloniens (ERC) von der Unabhängigkeitsdebatte.

Mas muss dennoch weitermachen, als sei nichts geschehen. Ein Rückzieher in Sachen Unabhängigkeit würde seiner CiU bei einem künftigen Urnengang weitere Stimmenverluste in Richtung Separatisten bescheren. Doch mit der Duldung von ERC zu regieren, ist unmöglich. Zu unterschiedlich sind die politischen Ansätze, wenn es um Krisenbewältigung geht. CiU setzt – wie übrigens auch die verhassten konservative Volkspartei (PP) von Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy – ausschließlich auf einen harten Kürzungskurs im Sozialwesen und im Öffentlichen Dienst. ERC ist dafür nicht zu haben. Und weiterregieren mit Duldung der PP ist nach der Zuspitzung in der Frage Unabhängigkeit auch keine Option mehr.

Mas geht aus seinen vorgezogenen Neuwahlen geschwächt hervor und ist künftig der Spielball völlig widersprüchlicher Interessen. Katalonien droht gar unregierbar zu werden.

Was bisher geschah: