© 2012 Reiner Wandler

Experiment mit mehreren Unbekannten

Viermal besuchte Spaniens konservativer Regierungschef Mariano Rajoy im Wahlkampf Katalonien. „Das Schlimmste in der Krise sind unsichere Szenarien“, warnt er angesichts der Spekulationen, ob Spanien schon bald unter den EU-Rettungsschirm schlupfen muss. Die Debatte um die Unabhängigkeit der wichtigste Industrieregion Spaniens könnte, so befürchtet die Regierung in Madrid, das Vertrauen der Märkte zusätzlich schädigen.

Spanien würde ohne Katalonien deutlich an wirtschaftlicher und politischer Kraft verlieren. 28 Prozent der spanischen Exporte sind „Made in Catalunya“. Katalonien stellt ein Fünftel des spanischen BIPs, hat aber nur 16 Prozent der Bevölkerung. Das BIP pro Spanier beträgt 23.271 Euro pro Jahr. Ein unabhängiges Katalonien würde gewinnen. Mit 27.430 Euro läge der neue Staat deutlich über den dann nur noch 21.752 Euro des Rest-Spaniens. Mit knapp 7,5 Millionen Einwohner weniger und einem geringeren BIP würde Spaniens Bedeutung in der EU deutlich zurückgehen.
Doch auch für Katalonien wäre die Unabhängigkeit ein Experiment mit mehreren Unbekannten. Das neue Katalonien wäre – so die mehrheitliche Meinung in Brüssel – kein EU-Mitglied und würde so nicht nur den spanischen Binnenmarkt, der 35 Prozent des Handels ausmacht, sondern auch den Europas verlieren. Außerdem wäre das neue Land hochverschuldet. Denn zu den Schulden der Regionalregierung – 21 Prozent des BIP – kämen anteilsmäßig die Schulden des spanischen Zentralstaates. Katalonien würde mit rund 75 Prozent des BIPs in den roten Zahlen stehen. Zugang zu den Finanzmärkten hat die Region schon lange nicht mehr. Zwar würde Barcelona alle Steuern selbst eintreiben, doch kämen auf Katalonien neue Ausgaben für Verteidigung, eigene Polizei, Grenzschutz, eine eigene Renten- und Arbeitslosenversicherung zu.

Was bisher geschah: