© 2012 Reiner Wandler

Härtester Haushalt der Geschichte Portugals

Die Portugiesen sollen weitere harte Einschnitte hinnehmen. Der Haushalt, den die konservative Regierung unter Pedro Passos Coelho zu Wochenbeginn dem Parlament vorlegte, sieht Steuererhöhungen von bisher nicht gekanntem Ausmaß und Kürzungen aller Sozialleistungen vor. Damit soll das Haushaltsdefizit 2013 auf die von der Troika aus Europäischer Union (EU), Europäischer Zentralbank (EZB) und dem Internationalen Währungsfond (IWF) geforderte 4,5 Prozent gesenkt werden. Die Steuererhöhungen und Kürzungen ersetzen den Plan der Regierung per Anhebung der Sozialabgaben um 7 Prozent allen Portugiesen einen Monatslohn zu nehmen. Diesen Plan musste Passos Coelho nach wochenlangen Protesten Ende September aufgegeben.

Die neuen Maßnahmen der Regierung, die bis Ende des Monats durch das Parlament gestimmt werden sollen, sehen Einsparungen von 5,3 Milliarden Euro vor, das entspricht 5,5 Prozent des portugiesischen BIP. 80 Prozent davon stammen aus neuen Steuereinnahmen und 20 Prozent aus einem weiteren Sparpaket.
Vor allem die Lohnsteuer wird reformiert. Statt bisher acht Stufen, wird es nur noch fünf Einkommensklassen geben. Zudem müssen alle Portugiesen eine vier-prozentige Zusatzsteuer über sich ergehen lassen. Wer mehr als 80.000 Euro brutto pro Jahr verdient, kommt in die höchste Einkommensklasse, die bisher bei 153 Millionen lag und zahlt weitere 2,5 Prozent.
Portugals große Wirtschaftszeitung Jornal de Negócios rechnet durch, was dies für eine Familie mit zwei Kindern und zwei Einkommen von je 1.500 Euro monatlich bedeutet. Sie zahlen künftig 7.300 Euro Lohnsteuer pro Jahr. Das sind knapp 2.000 Euro mehr als bisher. Selbst die niedrigste Einkommensklasse – ein Jahresbrutto von weniger als 10.000 Euro – wird künftig mit 75 Euro vom Fiskus belangt. Hochgerechnet auf ein Jahr verlieren die meisten portugiesischen Beschäftigten somit einen Monatslohn. Insgesamt sollen knapp 31 Prozent mehr Lohnsteuer eingenommen werden als 2012.
Außerdem steigen Verbrauchssteuer, wie die Tabaksteuer und die Abschreibung für Wohnungskredite werden um die Hälfte gesenkt. Auch die 16 Prozent Arbeitslosen werden zur Kasse gebeten. Sie verlieren 6 Prozent ihrer Stütze. Rentner mit mehr als 1350 Euro pro Monat müssen ebenfalls 3,5 Prozent Einbußen hinnehmen. Schwerbehinderte verlieren 5 Prozent ihrer Unterstützung. Doch damit nicht genug. Im Bildungsbereich werden 6,5 Prozent gespart und bei der Gesundheitsversorgung sind es gar 19,5 Prozent.
„Wir haben keinen Handlungsspielraum“, verteidigt Finanzminister Vitor Gaspar die harten Einschnitte. Portugal zahlt mittlerweile mehr für die Zinsen der Staatsschulden, als für alle Beamten und öffentlichen Angestellten zusammen.
Kaum wurde der Haushaltsentwurf bekannt, versammelten sich spontan Tausende von Menschen vor dem Parlament, um gegen das „Massaker an Familien“ zu protestieren. Die größte Gewerkschaft CGTP des Landes bereitet gleich drei große Protestaktionen für die kommenden Wochen vor. Für den 31. Oktober – dem Tag der Haushaltsdebatte im Parlament – ruft die CGTP zu einem Protestmarsch. Am 12. November soll die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel mit einer Großdemonstration empfangen werden und zwei Tage später ruft die CGTP zum dritten Generalstreik in den 16 Monaten der Regierung Passos Coelho. „Es ist an der Zeit, mit dieser Regierung Schluss zu machen, bevor sie mit den Menschen Schluss macht“, erklärte ein Gewerkschaftssprecher, als er die Mobilisierungen ankündigte.

Was bisher geschah: