© 2012 Reiner Wandler

Schlanker, immer schlanker

Die Regierung des konservativen, spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy mag keine konkreten Zahlen. Als am Donnerstag Nachmittag der Haushalt für 2013 vorgestellt wurde, wurde nur weniges wirklich klar: Die Ausgaben für die Zinsen für die Staatsanleihen steigen um 5,6 Prozent und werden 2013 38 der insgesamt 124 Milliarden Euro des Haushaltes verschlingen. Das ist doppelt so viel als noch vor drei Jahren. Erstmals liegen diese Ausgaben damit über dem, was allen Ministerien zusammen zur Verfügung steht.
Die Zuwendungen an die Rentenversicherung steigen ebenfalls um rund 6,7 Milliarden Euro. Um dies zu decken wird die Regierung erstmals die Rücklagen angreifen. „Es ist ein Krisenhaushalt, um aus der Krise zu kommen“, erklärte die Vizepräsidentin und Regierungssprecherin Soraya Sáenz de Santamaría. Der Sparkurs soll verhindern, dass Spanien als ganzes unter den Eurorettungsschirm schlupfen muss.
Um die Mehrausgaben zu decken würden 58 Prozent aus weiteren Kürzungen und 42 Prozent aus Mehreinnahmen stammen, erklärte Finanzminister Crístobal Montoro. Der staatliche Rundfunk Radio Nacional beziffert den Gesamtbedarf auf 40 Milliarden Euro. Wie viel konkret und wo eingespart werden soll, gab die Regierung nicht bekannt. „Darüber reden wir auf einer späteren Pressekonferenz detailliert“, hieß auf der Pressekonferenz. Mit dem „schlanksten Haushalt seit der Rückkehr Spaniens zur Demokratie“ im Jahre 1975 solle das Defizit des Zentralstaates Ende 2013 auf 3,8 Prozent sinken. Der Rest – bis zu den mit Brüssel vereinbarten 4,5 Prozent – wird auf die Regional- und Kommunalverwaltungen entfallen. Die Ausgaben aller Verwaltungsebenen wird künftig von einer eigens dafür geschaffenen Behörde streng kontrolliert werden.
Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst, deren Gehalt in den letzten beiden Jahren um durchschnittlich fünf Prozent gekürzt wurde, müssen 2013 eine Nullrunde hinnehmen. Freiwerdende Stellen werden nur noch im Gesundheitswesen und bei der Polizei teilweise neu besetzt. Immerhin soll es – so will die spanische Presse in Erfahrung gebracht haben – 2013 wieder Weihnachtsgeld geben.
Im Schnitt wird den Ministerien 8,9 Prozent weniger zur Verfügung stehen, erklärte Finanzminister Crístobal Montoro. Am Besten kommt laut spanischer Presse das Justizministerium mit minus 4,2 Prozent weg. Beim Industrieministerium sind es nach Angaben des zuständigen Ministers bei einer morgentlichen Veranstaltung 40 Prozent. Einzelne Posten, die bisher von den jeweiligen Ministern bestätigt wurden, zeugen von tiefen Einschnitten. Unter anderem wird noch weniger Geld in Infrastrukturen (-22 Prozent), Pflegegeld (-15) und Kultur (-30) fließen.
Erstmals wird die Regierung auch bei den Renten die Schere ansetzen. Die Ausgaben der Sozialversicherung stiegen 2012 um 6,7 Milliarden Euro. Schuld daran ist nicht zuletzt die Tatsache, dass sich viele Beamte und Angestellten im öffentlichen Dienst mit 60 Jahren zur Ruhe setzten, aus Angst diese Regelung könnte gestrichen werden. Genau so wird es jetzt kommen. Das kündigte Rajoy bereits einen Tag vor der Kabinettssitzung gegenüber der Presse in den USA an.
Auf der Einnahmeseite wird die Vermögenssteuer ein Jahr länger gültig sein. Gewinne aus kurzfristigen Geldgeschäften werden ebenso versteuert, wie Lotteriegewinne. Das soll 4,3 Milliarden einbringen. Außerdem erhofft sich die Regierung für das kommende Jahr 15 Milliarden Euro Mehreinnahmen dank der Mehrwertssteuererhöhung vom vergangenen 1. September.
Es ist der dritte spanische Sparhaushalt in Folge. Unter Rajoys Vorgänger, José Luis Rodríguez Zapatero, wurden 15 Milliarden gespart. In diesem Jahr kürzte Rajoy die Ausgaben um mehr als 27 Milliarden Euro. Die Regionen sparten bei Bildung und Gesundheit weitere 10 Milliarden. Rajoy hat als Gegenleistung für das 100-Milliarden-Euro-Paket zur Rettung des Finanzsektors aus Brüssel versprochen, bis Ende 2014 die Staatsausgaben um insgesamt 65 Milliarden Euro drücken.
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Meine Meinung

Europa versagt auf ganzer Linie
„Es regnet auf nassen Boden“, sagen die Spanier, wenn es noch schlimmer kommt. Gestern war der Satz in aller Munde. Der Haushalt für 2013 geht in die gleiche Richtung wie die der letzten beiden Jahre. Es wird gespart ohne Rücksicht auf Verluste. So will es Brüssel – oder besser gesagt, der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble – und so setzt es der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy brav um. Würde es helfen, würden die Spanier dies sicher mit viel Murren und Zähneknirschen hinnehmen. Nur es funktioniert halt nicht. Und das führt zu Unmut und Protesten.

Spanien versinkt in der Rezession. Die Arbeitslosigkeit hört nicht auf zu steigen. Der Staat – der vor der Krise wesentlich weniger verschuldet war, als zum Beispiel Lehrmeister Deutschland – droht unter der hohen Zinslast zusammenzubrechen. Alle Programm aus Brüssel lassen auf sich warten. Eine Direktfinanzierung der angeschlagenen Banken über eine europäische Finanzaufsicht ist genauso Zukunftsmusik, wie der versprochene Aufkauf von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank oder ein großer Wachstumspakt.

Europa versagt auf ganzer Linie. Die Disziplin mit der sich der Süden totspart, grenzt schon an Selbstkasteiung. Wer glaubt, dass dies der Weg aus der Krise ist, irrt. Es ist nur eine Frage von sehr wenig Zeit, bis die Rezession auch den Oberlehrer und Exportweltmeister Deutschland sowie dessen treuen Gefolgen von Österreich bis nach Skandinavien erreicht. Doch dann ist es zum Umdenken wahrscheinlich zu spät.

Was bisher geschah: