© 2012 Reiner Wandler

Rajoy zögert

Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy ist kein Freund klarer Aussagen. „Sobald ich Neuigkeiten habe, teile ich sie Ihnen mit“, erklärte der Konservative vergangene Woche auf die Frage, ob er den soeben bekanntgegebenen Plan der Europäischen Zentralbank (EZB), Staatsanleihen bedrängter EU-Mitglieder aufzukaufen, in Anspruch nehmen wolle. Seither wartet Presse, Parlament und Bevölkerung auf die versprochenen Neuigkeiten. Vergebens. „Ich weiß nicht einmal, ob es nötig ist, dass Spanien einen solchen Antrag stellt“, erklärte Rajoy am Mittwoch auf der parlamentarischen Fragestunde.
Wer wissen will, was Spaniens Regierung wirklich plant, dem bleibt nur ein Blick in die ausländische Presse. In einer Charmeoffensive gibt Rajoy seit Wochen vermehrt Interviews überall in der EU. Den Auftakt machte die deutsche Bild am Sonntag. Das vorläufig letzte Gespräch wurde in der größten finnischen Tageszeitung Helsingin Sanomat und dem Wirtschaftsblatt Kauppalehti gedruckt. Finnland ist für Rajoys Regierung besonders wichtig. Denn Helsinki verlangte von Madrid zusätzliche Zugeständnisse, um das von Brüssel genehmigte 100 Milliarden Europaket zur Rettung und Sanierung der spanischen Banken abzusegnen.
Dort wird Rajoy etwas konkreter. „Möglicherweise müssen wir am Ende um Hilfe bitten“, gesteht der Spanier ein. „Allerdings ist es völlig ausgeschlossen, das das gesamte Land unter den Rettungsschirm schlupft“, fügt er hinzu. Spanien werde auf keinen Fall neue Auflagen für eine etwaige Hilfe durch die EZB hinnehmen. Seine Regierung werde Ende 2013 das Defizit auf 4,5 Prozent und bis Ende 2014 auf 2,8 Prozent senken, beteuert Rajoy immer wieder. Insgesamt mussten die Spanier bisher Sparpakete in Höhe von 65 Milliarden Euro für die kommenden beiden Jahre über sich ergehen lassen. Zum 1. September wurde außerdem die Mehrwertsteuer von 18 auf 21 Prozent erhöht. Am Samstag rufen die Gewerkschaften deshalb mit einem breiten Bündnis zu einem Protestmarsch auf Madrid.
Es ist nicht das erste Mal, dass Rajoy zu lange zögert. Auch die Bankenrettung wurde – so die Kritik der spanischen Wirtschaftspresse – viel zu spät beantragt. Selbst jetzt, zwei Monate nachdem Brüssel das Geld bereitgestellt hat, weiß Madrid noch immer nicht, welches Finanzinstitut welchen Betrag braucht. Ein Gutachten zweier Consulting-Unternehmen soll dies bis Ende September erbringen.
Die zögerliche Haltung Rajoys hat ihren Preis. Im Sommer stiegen die Zinsen für Staatsanleihen auf über 7 Prozent. Zwar sanken sie nach der Ankündigung der EZB, Staatsanleihen aufzukaufen, deutlich, doch begann diese Woche erneut mit einem Aufwärtstrend, der durch das deutsche Verfassungsgerichtsurteil ersteinmal unterbrochen wurde. Die Märkte trauen Rajoy einfach nicht.
Alleine dieses Jahr braucht Spanien 66 Milliarden Euro, um die Schuldendienste zu bedienen. 78 Prozent davon hat Madrid bereits aufgenommen – zum Teil zu völlig unerträglichen Zinssätzen. Die ständig steigenden Zinsen haben einen Großteil der Kürzungen im Staatshaushalt aufgebraucht. Die Staatsverschuldung lag bei Beginn der Krise 2008 bei nur 40 Prozent. Ende 2011 waren es bereits knapp 70 Prozent. Das Eingreifen der EZB soll genau diesen Druck lindern.
Vor allem die Kassen der Autonomen Regionen Spaniens – vergleichbar mit den österreichischen Bundesländern – sind leer. Vier Regionalregierungen haben Madrid bereits um milliardenschwere Hilfspakete gebeten. Weitere Autonomieregierungen erwägen einen ähnlichen Schritt.

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