© 2012 Reiner Wandler

Demokratie als Diktat

Es hört nicht auf. Eine Kürzungswelle nach der anderen bricht über die Spanier herein. Und es betrifft immer die Gleichen: Die Menschen mit niedrigen Einkommen, diejenigen, die auf Sozialprogramme angewiesen sind, Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst, Schüler und Patienten im öffentlichen Bildungs- und Gesundheitswesen. Der Unmut wächst. Seit über einen Jahr protestieren Woche für Woche Zehntausende, machmal gar Hunderttausende. Gewerkschaften rufen zu Streiks und Protestmärschen, die Bewegung der Empörten zu riesigen Versammlungen auf öffentlichen Plätzen.

Gehört werden sie nicht. Die konservative Regierung zieht ihr Programm unbeirrt durch. Mit der Begründung, es gäbe keine Alternative in Zeiten der Krise, werden Banken gerettet und in Not geratene Wohnungseigentümer zwangsgeräumt. Der Sozialstaat wird zusammengekürzt, während private Schulen und Krankenhäuser weiterhin gefördert werden. Es geht um Ideologie, das wird immer deutlicher.
Die Zahl derer, die ihren Glauben in beiden großen Parteien und die Demokratie als solches verlieren, steigt. Die Menschen erleben Politik als Diktat. Beim Empfang der Bergleute aus Nordspanien in Madrid forderten Zehntausende die Kumpels auf, bei „nächsten Besuch Dynamit“ mitzubringen.
Und auch die Guillotine kommt in Mode. Bei den Protesten gegen die Bankenrettung wurde sowohl in Madrid als auch in Barcelona ein Pappmodell des Instrumentes aus den Jahren des Terror nach der französischen Revolution mitgeführt. Die Drohung gilt den Bankern und denen, die sie auf Kosten der Bevölkerung retten.
Selbst in der größten Tageszeitung des Landes, der El País, beantwortete eine der Starkolumnistinnen angesichts der unterschiedlichen Krisenpolitik Hollands und Rajoys die Frage, was Frankreich und Spanien unterscheide: „Vor allem eines: die Guillotine, die rechtzeitig eingesetzt wurde.“ Es sind verzweifelte Gewaltfantasien, die nichts gutes verheißen.

Was bisher geschah: