© 2012 Reiner Wandler

Keine Regierung wie Gott befiehlt

„Gestern gewann die Glaubwürdigkeit“, beglückwünschte sich Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy am Sonntag mittag selbst. Er habe verhindert, dass das „Königreich Spanien“ als ganzes unter den Rettungsschirm müsse. Sicher kann der Konservative dies als Erfolg verbuchen. Über einen Woche hatte Madrid hart gepokert, um zu erreichen, dass nur das spanische Finanzsystem im Gegenzug für Hilfsgelder unter die Aufsicht der Europäischen Union und des Internationalen Währungsfond gestellt wird. Doch das heißt nicht, dass die Spanier Rajoy dazu gratulieren.
Es musste einen Tag vergehen, bis Rajoy selbst nach dem folgenschweren Schritt für Spanien sich – zum ersten mal seit seinem Amtsantritt vor knapp sechs Monaten – direkt an die Bevölkerung wandte. „Feigling Rajoy“ war da längst einer der meistgebrauchten Ausdrücke bei Twitter und in Onlineforen. Eine am Sonntag von El País veröffentlichte Umfrage zeigt: Nur ganze 20 Prozent der Bevölkerung vertrauen Rajoy noch. Nur 30 Prozent glauben, das der Konservative die Krise meistern kann. 64 Prozent wünschen sich eine parteiübergreifende Technokratenregierung. Der Popularitätsverfall ist wahrlich eine Meisterleistung für einen Premier, der Ende November mit absoluter Mehrheit gewählt wurde. Am Samstag mag die Glaubwürdigkeit des Euros gewonnen haben – die Märkte werden dies im Laufe der Woche zeigen müssen – die Glaubwürdigkeit Rajoys jedenfalls nicht.
Die Enttäuschung sitzt tief. „Eine Regierung, wie es Gott befiehlt“, versprach der Konservative im Wahlkampf. Er machte dem Wahlvolk glauben, dass seine Volkspartei (PP) anders als die abgewählten Sozialisten über das nötige Fachwissen und genügend internationales Ansehen verfüge, um die Märkte zu beruhigen. „Es wird keine Intervention geben“, versprach Rajoy noch vor zehn Tagen.
Die Abwärtsspirale in der Spanien steckt ist – auch wenn dies von Rajoy immer wieder behauptet wird, nicht nur das Erbe seiner Vorgänger. Sie ist vielmehr auch das Ergebnis einer übertriebenen Austeritäspolitik, die das Land in atemberaubender Geschwindigkeit in die Rezession treibt. Die Arbeitslosigkeit liegt mittlerweile bei knapp 25 Prozent. Eine Auflösung des Kündigungsschutzes beschleunigt diesen Prozess noch.
Die großen Schläge für Spaniens Bonität kamen aus Regionen, die seit vielen Jahren von der PP regiert werden. Die Region Valencia – Symbol für Korruption und Spekulation, wie keine zweite – ist bankrott. Die Region rund um Madrid musste eingestehen, dass das Haushaltsdefizit doppelt so hoch ist, wie gegenüber Brüssel erklärt. Und die Bankenkrise hat ebenfalls ganz direkt mit der PP zu tun. Problemkind Bankia ist ein Verband von Sparkassen rund um Caja Madrid und um die Sparkasse in Valencia. Beide haben ganz oben mitgezockt beim Immobilienboom, mit dessen Hilfe sich die Konservativen – Ermittlungen belegen dies – Partei- und Privatkonten füllten.
„Wie kann es sein, dass die neue Regierung uns nicht aus dem Loch holt, sondern in das Ödland des europäischen Rettungsfonds oder ins Hexenhaus des IWF führt“, fragte vergangene Woche der Chefredakteur der konservativen El Mundo. Und Luis María Anson, Übervater aller konservativen Kolumnisten Spaniens, legte Rajoy im Falle eines Rettungsgesuchs zwei Wege nahe: „Gehen oder Neuwahlen“. Nach seiner verspäteten Pressekonferenz vom Sonntag ging Rajoy tatsächlich. Aber nicht aus dem Amt sondern zum Fußball nach Polen.

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