© 2012 Reiner Wandler

Finanzamt drückt beide Augen zu

Gute Zeiten für spanische Steuersünder: Seit Montag können sie hinterzogene Beträge melden. Statt Zinsen oder gar eine Strafe zu bezahlen, werden sie mit einer Steuersenkung belohnt. Wer sich freiwillig dem Fiskus stellt muss nur zwischen acht und zehn Prozent des am Finanzamt vorbei verdienten Betrags abführen. Der normale Lohnsteuersatz liegt in Spanien je nach Einkommen zwischen 24 und 45 Prozent.
Finanzminister Cristóbal Montoro hofft darauf, dass 25 Milliarden Euro aus dem Schatten treten. Dies würde zusätzliche Einnahmen von 2,5 Milliarden Euro für den Staatssäckel bedeuten. Spanien gilt als eines der EU-Länder, in dem im letzten Jahrzehnt am meisten Geld unterschlagen wurde. So manches große Geschäft in Zeiten des Immobilienbooms wurde schwarz abgewickelt.
Ein Indiz dafür sind die 500-Euro-Scheine. Obwohl sie im spanischen Alltag nie zu sehen sind, zirkulierten zeitweise 26 Prozent aller 500er, die von der Europäischen Zentralbank ausgegeben wurden, im Land auf der iberischen Halbinsel. Deshalb wurde in das Dekret zur Steueramnestie nicht nur Konten im Ausland aufgenommen, sondern auch mit Schwarzgeld gekaufte Immobilien und Bargeld. Die einzige Bedingung. Der fragliche Betrag muss auf ein Konto innerhalb der EU oder einem Land mit dem Spanien ein Abkommen gegen die Doppelbesteuerung hat, eingezahlt werden. Die Selbstanzeige wird dann per Internet eingereicht.
Die Steueramnestie ist seit Wochen eines der wichtigsten Gesprächsthemen in Spanien. Bei den Sendungen im staatlichen Rundfunk, bei denen das Mikro für Höreranrufe offen steht, beklagen sich die Menschen bitter. Denn während für die großen Steuerhinterzieher jetzt die Amnestie zum Sondertarif greift, wurden die Lohnsteuern für Normalverdiener zum Jahresbeginn zwischen 0,75 und 7 Prozent erhöht. Und eine Anhebung der Mehrwertsteuer ist geplant. „Paradox“ nennt dies der Berufsverband der Steuerprüfer.
Die stärkste Oppositionspartei, die sozialistische PSOE will gar vors Verfassungsgericht ziehen. „Unsere schlimmsten Befürchtungen haben sich bestätigt“, erklärte ein Parteisprecher am Montag. Er befürchtet, dass dank der Steueramnestie auch „Geld aus kriminellen Machenschaften weißgewaschen wird“.

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