© 2012 Reiner Wandler

Ein unsäglicher Jurist

Spaniens oberster Richter, Carlos Dívar, trat am Donnerstag zurück. Seit der 70-Jährige Jurist Anfang Mai von einem Mitglied des Obersten Justizrates beschuldigt wurde, mindestens 32 private Reisen als Dienstreisen abgerechnet zu haben, geriet der konservative Richter nicht mehr aus den Schlagzeilen. Luxushotels, teure Abendessen zu zweit, Dívar reiste seit Jahren immer wieder mit seinem Sicherheitschef, einem Nationalpolizisten, quer durch die spanische Geografie. „Karibische Woche“, nannten dies seine Kollegen am Gericht. „Ich habe nichts schlechtes getan, aber die Lage ist untragbar“, erklärte Dívar am Donnerstag auf einer Justizratssitzung und legte die Robe nieder.
Der tiefreligiöse Junggeselle, Sohn und Enkel von Richtern, diente einst am Obersten Strafgericht, der Audiencia Nacional. Dort ermittelte er unter anderem gegen Separatistenkommandos der baskischen ETA. 2003 entkam er nur knapp einem Attentat. 2008 wurde er vom damaligen Regierungschef, dem Sozialisten José Luis Rodríguez Zapatero, vorgeschlagen und mit den Stimmen der sozialistischen PSOE und der heute regierenden, konservativen Volkspartei (PP) ins Amt des Präsidenten des Obersten Justizrates gehoben.
Für viele war dies eine völlig unverständliche Aktion. Denn Dívar ist entschiedener Gegner aller fortschrittlichen Reformen. Als guter Katholik, der so die spanische Gerüchteküche dem katholischen Geheimbund Opus Dei angehört, empfahl er einem hohen Strafrichters und Kollegen von der bevorstehenden gelichgeschlechtlichen Hochzeit Abstand zu nemen. Auesserdem führte Dívar in der Justiz die Gegner der Abtreibungsreform an.
Unter seiner Regierung erlebte die spanische Justizbehörde den wohl schwersten Skandal der 38 Jahre jungen spanischen Demokratie. Auf Betreiben ultrakonservativer Richter, Anwälte der Korruption beschuldigter Mitglieder der PP und faschistischer Organisationen wurde der spanische Starrichter Baltazar Garzón mit Berufsverbot belegt. Er hatte versucht die Verbrechen der Franco-Diktatur gerichtlich aufzuarbeiten und hatte ein breites Netzwerk, mit dem sich die PP des heutigen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy illegal finanzierte, aufgedeckt.
Nach sechs Wochen in den Schlagzeilen war Dívar so verbrannt, dass selbst König Juan Carlos I. sich bei seinem alljährlichen Besuch beim Justizrat von seinem Sohn und Thronfolger Felipe vertreten ließ. Der Jurist, der Dívar mit seiner Anzeige zu Fall brachte, ist kein geringerer als José Manuel Gómez Benítez, Anwalt des suspendierten Richters Baltazar Garzón./Foto: Nacle2

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