© 2012 Reiner Wandler

Eine neue, alte Zeitung

        Susana Hildalgo (mitte) und Daniel Ayllón (rechts).
Spanien soll eine neue Zeitung bekommen, oder besser gesagt, eine alte Bekannte will zurück an den Kiosk. Es handelt sich um die im Herbst 2007 gegründete und im Februar 2012 eingestellte Tageszeitung El Público. 30 der ehemals 160 Angestellten haben eine Genossenschaft gegründet. Nach der Sommerpause wird es soweit sein. Das Blatt erscheint wieder.
„Wir werden doppelgleisig fahren“, erklärt Susana Hidalgo (37), Redakteurin der ersten Stunde und bis zur Schließung Nachrichtenchefin bei El Público. „Über die Tagesaktualität werden wir auf unserer Internetseite berichten. Hintergründiges und Reportagen gibt es auf Papier. Wir streben eine Wochenzeitung an, auch wenn wir am Anfang vielleicht nur monatlich oder 14-tägig erscheinen werden.“
El Público war, solange sie täglich am Kiosk war, die Tageszeitung der spanischen Linken. „Vor allem dank der jungen Belegschaft, die Lust hatte auf andere Berichterstattung“, ist sich Hidalgo sicher. Eigentlich war dies so gar nicht vorgesehen. Denn El Público war, da sind sich in Spanien alle sicher, die Option der Regierung des Sozialisten José Luis Rodríguez Zapatero. „Viele sagten uns, dass wir nur solange bestehen würden, bis Zapatero die Wahlen verliert. Wir wollten das nicht glauben und der Besitzer stritt das natürlich ab“, erklärt Hidalgo. Heute weiß sie es besser. Zapatero verlor im November 2011, kurz danach kam das Aus.
Der Deal hat wohl so ausgesehen: Die Eigentümer von El Público leben von Fernsehproduktionen und dem Verkauf von Fernsehrechten. Sie erhielten gute Verträge mit dem staatlichen Fernsehen und den Zuschlag bei Fußballübertragungen, sowie mehrere TV-Lizenzen. Im Gegenzug entstand El Público als Gegengewicht zur übermächtigen El País und ihrer Verlagsgesellschaft Prisa, die Zapatero – trotz ihrer sozialdemokratischen Orientierung – immer wieder hart kritisierte. Die Rechnung ging auf. Während El País an Auflage verlor, verkaufte El Público immer besser. Abgesehen vom schonenden Umgang mit Zapatero stand El Público für etwas völlig Neues. „Wir griffen vor allem soziale Themen auf“, sagt Hidalgo und meint damit Themen von Unten, egal ob in Politik, Gesellschaft oder Wirtschaft. In Zeiten der wachsenden Empörung über die Krisenpolitik Europas traf das Blatt damit die Erwartungen vieler Leser.
Der Tag, als die erste Nullnummer der neuen Ära erschien, war mit Bedacht gewählt. Es war der 12. Mai als sich spanienweit die „Empörten“ ein Jahr nach den ersten Großdemonstrationen erneut zu Wort zu meldeten. 16.000 Exemplare wurden in Madrid, Barcelona, Sevilla und Valencia verteilt. „Der Erfolg war riesig. Alle freuten sich uns wieder zusehen“, berichtet Hidalgo. Eine Doppelseite sollte die Leser davon überzeugen, dass das Projekt Genossenschaft durchaus Erfolg haben kann. „Die Zeitung der 11.800 Eigentümer“ hieß die Reportage. Es ging um die deutsche taz.
Die Gruppe der ehemaligen RedakteurInnen arbeitet an dem, was sie „Plan A und Plan B“ nennen. Plan A geht davon aus, dass die Genossenschaft bei der Versteigerung der Konkursmasse den Zuschlag für den Namen „El Público“ sowie für den immer noch funktionierenden Internetauftritt erhält. „Dann könnten wir ohne großes Marketing an den Start gehen“, sagt Daniel Ayllón. „Falls dies nicht klappt, haben eine Reihe neuer Namen registriert“, sagt der 30-Jährige Politikredakteur, der bei El Público ebenfalls von Anfang an dabei war. „So oder so: Es ist ein günstiger Moment, in Spanien eine Massenblatt zu gründen, das fair mit seinen Mitarbeitern umgeht und eine andere, neue Beziehung zu den Lesern hat“, zeigen sich Ayllón und Hidalgo zuversichtlich.

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