© 2012 Reiner Wandler

Öl im Urlaubspardies

Spaniens Industrieminister José Manuel Soria träumt vom Ölreichtum. Im Schnellverfahren billigte er die Pläne des Erdölkonzerns Repsol, vor den Kanarischen Inseln nach dem schwarzen Gold zu suchen. Die kanarische Regionalregierung und die Einwohner können sich für die Idee nicht begeistern. Sie fürchten die Verschmutzung der Gewässer und damit um ihren Ruf als Urlaubsparadies. Sie gehen vor Gericht und auf die Straße.

Es wäre „nicht verantwortungsbewusst“ auf die Möglichkeit der Erdölförderung zu verzichten, erklärt Minister Soria. Repsol, die 60 Kilometer vor den beiden Inseln Fuerteventura und Lanzarote bohren will, gehe von Fördermengen aus, die 20 Jahre lang zehn Prozent des spanischen Bedarfs decken könnten. Spanien führt täglich 1,4 Millionen Barrel ein. Das sind 99.8 Prozent des Verbrauches.

Die Bohrungen sollen in bis zu 3.000 Meter Tiefe stattfinden. Zehntausende von Arbeitsplätzen würden geschaffen. Soria schwärmt vom „Reichtum“ und „der Diversifizierung der Ökonomie“ der Inseln vor Afrikas Nordwestküste. „Jede Wirtschaft, die wettbewerbsfähig sein will, braucht eine industrielle Basis“, ist sich Soria sicher.

Die Inselregierung und die Bürgermister der großen Gemeinden – unter ihnen auch die der in Madrid regierenden, konservativen Volkspartei (PP) von Ministerpräsident Mariano Rajoy – sehen das anders. 30 Prozent des Brutto-Sozialprodukts der Kanaren stammt aus dem Tourismus. Lanzarote und Fuerteventura leben gar zu über 50 Prozent vom Geschäft mit Strand und Sonne. 90 Prozent der arbeitenden Bevölkerung ist direkt oder indirekt in der Tourismusbranche tätig. Im vergangenen Jahr besuchten über zehn Millionen Urlauber die Inseln. Die meisten stammen aus Deutschland und Großbritannien.

Das Inselparlament lehnte die Probebohrungen ab. Madrid habe diesen Beschluss einfach übergangen, beschwert sich Inselpräsident Paulino Rivero. „Man behandelt uns wie in früheren Zeiten so, als wären wir noch immer eine im Atlantik verlorene Kolonie“, wettert er. Rivero will „alle Schritte“ ausnutzen, um „diese Hypothek auf unsere Zukunft“ zu verhindern. Die Inselregierung befürchtet, dass Bohrungen in solch aussergewöhnlichen Tiefen nicht sicher sind. Als Schreckensszenario dient der Unfall auf einer Bohrinsel im Golf von Mexico 2010. Dort war es der Tiefe zu schulden, dass es Monate dauerte, bis die lecke Bohrstelle geschlossen werden konnte.

Jetzt zieht die Regierung Riveros vor das Tribunal Supremo, den obersten, spanischen Gerichtshof in Madrid. Dieser hatte 2004 aus umwelttechnischen Bedenken schon einmal ein Projekt für Probebohrungen gestoppt.

50 Organisationen und Parteien mobilisierten Ende März Zehntausende Insulaner auf die Straße. „Nein zu den Erdölgesellschaften. Ja zu Erneuerbaren Energien“ lautete eine der Parolen. Das Industrieministerium unter Soria, das sich für die Erdölförderung stark macht, stoppte im Dezember den weiteren Ausbau von Wind- und Solarenergie, in dem die Einspeisevergütungen für Neuanlagen bis auf weiteres gestrichen wurden. Dieser Entscheidung fällt auch der Ausbauplan auf den Kanaren zum Opfer.

Die Gegner der Bohrungen bekommen Unterstützung von den großen Tourismusveranstaltern. Unter anderem meldete sich der Beauftragte für Nachhaltigkeit bei der deutschen TUI, Harald Zeiss, zu Wort. Eine Ölkatastrophe hätte nicht nur negative Auswirkungen auf eine Saison, sondern „mögliche Besucher würden die Kanaren immer mit Öl in Verbindungen bringen, wie dies bei New Orleans und Katharina der Fall ist“, warnt er.

Was bisher geschah: