© 2012 Reiner Wandler

Sprache und Sexismus

Spaniens Königliche Sprachakademie (RAE) will von einem nicht-sexistischen Gebrauch der Sprache von Miguel Cervantes nichts wissen. Insgesamt 27 Mitgliedr zeichneten vor wenigen Tagen in El País, der größten Tageszeitung des Landes, ein umfangreiches Dokument, das sich mit Anlitungen auseinandersetzt, die in den letzten Jahren von Verwaltungen, Universitäten und Gewerkschaften herausgegeben wurden, um einen nicht-sexistischen Sprachgebrauch zu fördern. Die Wächter über das Spanische werfen den Autoren vor, mit ihrem Anliegen, die sprachliche Diskriminierung des weiblichen Geschlechtes zu bekämpfen, Grammatik und Syntax der Sprache zu beschädigen.

Es geht um die Regel der zufolge die Mehrzahl, wenn sie sich auf eine gemischte Gruppe bezieht, immer die männliche Form der Oberbegriff ist. Aus niña – Mädchen – und niño – Junge – werden so bei einer Schulklasse niños – Kinder, aber halt auch Jungs. Die nicht-sexistischen Sprachführer schlagen vor, immer beide Formen zu nutzen oder, wo dies möglich ist, neutrale Oberbegriffe zu suchen. Aus Lehrer und Lehrerinnen werden Lehrkräfte, aus Stipendiatinnen und Stipendiaten Personen mit Stipendium.

Der männliche Plural würde beide Geschlechter beinhalten, entgegnen die Akademiemitglieder. Die Forderung, dass amtliche Texte und Reden immer beide Geschlechter benennen müssen, würde dazu führen, „dass sich die offizielle Sprache noch weiter von der reellen Sprache entfernt“. Widerspruch wird nicht geduldet. Denn ordentliches Spanisch sei schließlich Sache der Wissenschaft und damit der Akademie: „Die meisten dieser Sprachführer wurden ohne Beteiligung von Sprachwissenschaftlern geschrieben“, heißt es.

Die größte Gewerkschaft des Landes, CCOO, die eine der kritisierten Publikationen verlegt hat, gibt zu bedenken, dass der weit verbreitete Gebrauch der männlichen Form als Oberbegriff für beide Geschlechter, nicht zuletzt damit zusammenhängt, dass sich Institutionen und Akademie weigern, einen andere Sprache zu nutzen. „Die Grammatik ist nicht das Leben“, unterstützt eine Philosophieprofessorin der Fernuniversität die nicht-sexistischen Sprachführer.

Die Tageszeitung La Vanguardia wirft der RAE vor, bei weitem sexistischer zu sein als die Menschen auf der Straße und empfiehlt einen Blick ins offizielle Wörterbuch der Akademie. Es ist voll von mehr als fragwürdigen Definitionen: „Genießen: Eine Frau körperlich kennenlernen“, steht da zum Beispiel zu lesen.

Die Vorsitzende der Gleichberechtigungskommission der Justizverwaltung wartet mit einer schönen Anekdote auf, die belegt, wie wichtig die Sichtbarkeit der Frau in der Sprache ist: „Die Vertretung kommt in den Unterricht und schlägt vor: ‚Auf niños, wir singen!‘ Kein einziges Mädchen sang mit, denn ihre Klassenlehrerin redet immer von niñas und niños.“

Was bisher geschah: