© 2012 Reiner Wandler

Drastische Maßnahmen in Portugal

Die Branche der Erneuerbaren Energien in Portugal trifft es hart. Wie bereits vor einem Monat im benachbarten Spanien setzt jetzt auch die Regierung in Lissabon per Dekret „die Zuteilung von Einspeiserechten in das Öffentliche Stromnetz Portugals“ aus. Die Bestimmung betrifft all diejenigen Anlagen, die noch keine Baulizenz und Betriebsgenehmigung haben.

„Das betrifft 2000 Megawatt (MW) an Windanlagen, 200 MW kleine Wasserkraftwerke und rund 1.500 MW verschiedenster anderer Technologien“, erklärt der Vorsitzende des Dachverbandes für Erneuerbare Energien in Portugal, Antonio Sá da Costa. Portugal hat sich gegenüber der EU in seinem Nationaler Aktionsplan für erneuerbare Energie verpflichtet, bis 2020 einen Anteil von 31 Prozent an Erneuerbaren im gesamten Energieverbrauch zu erreichen. „Das Vorgehen der Regierung kann das Vertrauen der Investoren ein für alle mal beschädigen“, warnt Sá da Costa.

Die konservative Regierung unter Ministerpräsident Pedro Passos Coelho möchte mit der Maßnahme Raum schaffen, um wie gegenüber der Troika aus Internationalem Währungsfond, der Europäischen Zentralbank und der EU-Kommission versprochen, das Stromsystem als solches zu reformieren und kosteneffizienter zu machen. Das Dekret wurde am 6. Februar, kurz vor dem zweiten Kontrollbesuch der Troika, erlassen. Das hochverschuldete Portugal steht seit April 2011 unter dem EU-Rettungsschirm.

Die Regierung in Lissabon verweist auf das Tarifdefizit. Ähnlich wie im benachbarten Spanien fiel in den 2000er Jahren der Entschluss, den Strompreis nicht weiter als die Inflationsrate ansteigen zu lassen. Für den Fall das dies durch steigende Generationskosten nicht einzuhalten war, wurde ein Umlage des Mehrbetrages auf die kommenden 15 Jahre geplant. Bis 2008 ging das gut. Dann explodierte der Ölpreis. Die Schere zwischen den Kosten der Stromerzeugung und dem Verbraucherpreis ging immer weiter auf. Ds defizit explodierte. Es beläuft sich – Stand Ende 2010 – auf rund 1,8 Milliarden Euro.

„Ähnlich wie in Spanien, kann das Problem des portugiesischen Stromsystems nicht durch eine Kürzung der Einkommen der Stromproduktion aus erneuerbaren Quellen gelöst werden“, heißt es in einem Brief an EU-Energiekommissar Günther Oettinger mit dem der Europäischen Verband für Erneuerbare Energien (EREF) sich hinter APREN stellt. „Das Defizit ist nicht den erneuerbaren Energien zuzuschreiben, sondern der Tatsache, dass sich per politischer Entscheidung die reellen Kosten der Stromproduktion nicht im Verbraucherpreis niederschlagen“, heißt es weiter. EREF beklagt, dass die portugiesische Regierung in keinem Augenblick den Dialog mit APREN gesucht habe, um eine weniger drastische Lösung zu finden.

„Ich glaube, dass gerade die Erneuerbaren Energien einen guten Weg aus der Krise darstellen“, mahnt Sá da Costa. Die Branche schaffe Arbeitsplätze. Die Einnahmen und Gewinne würden in Portugal verbleiben, das Aussenhandelsdefizit und die Emission von Treibhausgasen würde verringert. „Wenn die Weltwirtschaft wieder anzieht, sind wir bestens darauf vorbereitet. Denn in naher Zukunft werden wir billigeren Strom haben, unabhängig davon, wie sich die Preise für fossile Brennstoffe entwickeln“, fügt er hinzu.

APREN hat bereits im alten Jahr einen Alternativplan vorgelegt. Die Branche sei bereit drei Jahre lang einer Kürzung der Einspeisevergütung hinzunehmen, wenn dafür der Gesamtbezugszeitraum entsprechend erhöht würde. Wie sich die Regierung eine Reform des Marktes letztendlich vorstellt, weiß im Augenblick keiner zu sagen. „Wir müssen aber feststellen, dass die alte Regierung die Erneuerbaren Energien schätzte und förderte. Die neue Regierung versucht so gut sie kann, einen ganz anderen Weg einzuschlagen“, beschreibt Sá da Costa den Unterschied zwischen den im vergangenen Jahr abgewählten Sozialisten und den nun regierenden Konservativen. Eine der Reformideen, die aus Regierungskreisen durchsickerte ist, richtiet sich ebenfalls gegen die Erneuerbaren. Die Überlgung geht in Richtung einer 15-prozentige Sondersteuer auf Produzenten von Strom aus erneuerbaren Quellen. Dies würde viel der geplanten Projekte unwägbar machen, heißt es seitens EREF und APREN.

Längst ist auch eine Änderung des Nationalen Aktionsplans für Erneuerbare Energie kein Tabu mehr. „Die Krise würde eine Anpassung der Ziele des Aktionsplanes – im Konsens mit allen Beteiligten – rechtfertigen, eine völlige Aussetzung jedoch nicht“, erklärt APREN-Chef Sá da Costa.

******

2011 erzeugte Portugal 46,8 Prozent seines Stromes aus erneuerbaren Quelle. Rechnet man die großen Wasserkraftwerke heraus sind es noch immer 25,1 Prozent. Alleine die Windkraft ist für 17,6 Prozent verantwortlich. Nur Dänemark übertrifft das südwesteuropäische Land. In Portugal waren zum Jahreswechsel 4083 MW in Windparks installiert. 377 MW kamen im Laufe des Jahres 2011 neu hinzu. Anders als beim Nachbarn Spanien – wo die Neuinstalationen gegenüber 2010 um knapp 30 Prozent zurückgegangen sind, hat die portugiesische Branche damit ein gutes Ergebnis erzielt. Denn das ist mehr als das Doppelte dessen, was 2010 errichtet wurde./Erstveröffentlichung: Neue Energie 3/12

Was bisher geschah: