© 2012 Reiner Wandler

Sachzwänge? Politik!

Sachzwänge, heißt das Schlagwort, wenn es um unliebsame Maßnahmen geht. Überall in der EU wird der Sozialstaat zusammengekürzt. Und dort wo dies zu den härtesten Einschnitten führt – im Süden der Union – nehmen die Proteste zu. Griechenland ist im Dauerausnahmezustand. In Portugal kam es vor einer Woche zu den größten Mobilisierungen in einer Generation und gestern war Spanien an der Reihe.


Eine Analyse dessen, unter was die Menschen zu leiden haben, macht offensichtlich, dass es sich nicht Sachzwänge geht, sondern um gezielte Politik. Zur vermeintlichen Beruhigung der Märkte werden Löhne gekürzt. Erworbene und mit Mitgliedsbeiträgen bezahlte Rechte, wie Arbeitslosengeld, Rentenversicherung zusammengestrichen. Öffentliche Dienste werden eingestellt und privatisiert. Oder was werden wie jetzt in Spanien per Arbeitsmarktreform die Tariffreiheit ausgehebelt und der Kündigungsschutz fast völlig aufgehoben. Der Arbeitsmarkt verlange dies, heißt die Begründung auch wenn die Regierung gleichzeitig eingesteht, dass die Arbeitslosigkeit weiter steigen wird.

Gleichzeitig fließen Milliarden an die Banken, die sie dann wiederum zu völlig überhöhten Zinsen an die Mitgliedsstaaten verleihen. Zur Wirtschaft, die so dringend Kredite bräuchte, um wieder in Schwung zu kommen, gelangt von diesem Geld nichts. Eine baldige Erholung der Konjunktur und der Arbeitsmärkte wird es nicht geben.

Egal mit welchem Adjektiv wir dieser Politik, an der Brüssel, Berlin und Paris festhalten, ja sie einem ganzen Kontinent aufzwingen, belegen, sie ist vor allem eines, sie ist wirkungslos und damit völlig verfehlt. Schlimmer noch, ein Land nach dem anderen gerät in in die Rezession. Griechenland, Portugal, Spanien, Italien, die Niederlande, die Liste wird sicher im kommenden Jahr länger.

Es geht denen, die für die derzeitige Politik verantwortlich zeichnen um Ideologie. Und diese verlangt niedrige Steuern für die großen Vermögen und als Folge einen schwachen Staates, in dem jeder für sich selbst sorgt und bezahlt, alles andere sei nicht finanzierbar. Dabei wird gerne eines übersehen: Wichtige Elemente des Sozialstaat die gerne als zu teuer gebrandmarkt werden stammen aus den schwierigen Jahren nach dem zweiten Weltkrieg. Sie waren tatsächlich finanzierbar, auch wenn dies aus heutiger Sicht erstaunen mag.

Wir werden Zeuge eines völligen Abbaus des Gesellschaftsmodells, für das die EU stand und von vielen Ländern beneidet wurde. Die vermeintlichen Sachzwänge sind eine willkommene Entschuldigung für gezielte, unpopuläre politische Entscheidungen.

Was bisher geschah: