© 2012 Reiner Wandler

Madrid hat seine Mona Lisa

Ein Gemälde im Madrider Museum El Prado wurde tausend mal gesehen und tausend mal übersehen. Das Bild galt als eine der unzähligen Kopien der Mona Lisa von Leonardo da Vinci. Das Gesicht, die Haltung der abgebildeten Frau kamen dem Original sehr nahe. Doch der Hintergrund war einfach nur dunkel, fast schon schwarz. Das machte das Gemälde banal. Als Urheber des Werkes aus den Beständen der spanischen Monarchie galt einer der unzähligen flämischen Maler, ohne großen Namen. Jetzt wurde diese Mona Lisa von einem der Direktoren des Prado neu entdeckt und macht überraschend Schlagzeilen.

Es ist kein flämisches Gemälde und es ist auch nicht irgendeine Kopie. Das Werk entstand zeitgleich zum Original aus dem 16. Jahrhundert. Es wird von den Restauratoren des Prado einem der beiden Schüler da Vincis, seinem späteren Geliebten Andrea Salai oder Francesco Melzi zugeschrieben. Der Schüler sass wohl direkt neben dem Meister und imitierte da Vinci Pinselstrich für Pinselstrich.

Von seinem dunklen Lack befreit, erstrahlt das Bild in neuen Farben, als wäre es gestern erst gemalt worden. Der hässliche dunkle Hintergrund – der aus dem 18. Jahrhundert stammen soll – verbarg die gleiche toskanische Landschaft wie auf dem Bild des Meisters. Die Abgebildete Frau wirkt jünger, die Details, wie Augenbrauen, Wimpern und Stickereien, die beim Original über die Jahrhunderte unter Lackschichten verschwunden sind, verblüffen den Beobachter. „Eine Mona Lisa nach einem umfangreichen Lifting“, jubelt Spaniens Presse. Wissenschaftler erhoffen dank der Kopie neue Erkenntnisse über das Original gewinnen zu können.

Es waren ausgerechnet die Hüter der echten Mona Lisa im Pariser Louvre, die den Anstoß gaben, das unterbwertete Madrider Gemälde genauer zu untersuchen. Der Louvre wollte es für eine Ausstellung über Da Vinci, seine Zeit und sein Einfluss. Das Team des Prado nahm daraufhin das Stück genauer unter die Lupe, um vor dem Verleih eine ausführliche Studie über dessen Zustand zu erstellen.

Die erste Überraschung ließ nicht auf sich warten: Das Grundlage des Gemäldes war nicht aus Eichenholz – dem Material der flämischen Künstler – wie bisher angenommen, sondern aus Nussbaum – dem Material Da Vincis und seiner italienischen Zeitgenossen. Als dann weitere Untersuchungen zeigten, dass der dunkle Hintergrund später aufgetragen worden war, entstand die Idee zur Restaurierung. Schicht für Schicht kam die Überraschung zum Vorschein.

Im März wird die Mona Lisa aus dem Prado jetzt tatsächlich nach Paris reisen, um im Louvre ausgestellt zu werden. Ihr Platz wird nicht – wie ursprünglich vorgesehen – irgendeine Wand von vielen sein. Die Mona Lisa aus dem Prado wird direkt neben ihrer berühmten Schwester, La Gioconda von Leonardo da Vinci, hängen.

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