© 2011 Reiner Wandler

Wahlkampf mitten im Gewitter

Es sind keine guten Zeiten für einen Wahlkampf. Denn das Bild das Spanien bietet, könnte dunkler kaum sein. Die Arbeitslosenquote liegt längst bei über fünf Millionen und hat damit die 20 Prozent Hürde genommen. Das Wirtschaftswachstum liegt unter einem Prozent, das Defizit ist schwerer in den Griff zu bekommen, als geplant. Die Märkte üben Druck auf Spanien aus. Die Zinsen für die Staatsanleihen stiegen gestern auf über sechs Prozent. Sie liegen damit kurz vor dem, was die Ökonomen „Point of no return“ – „Punkt an dem es kein Zurück mehr gibt“ – nennen.

Dennoch spielt die Wirtschaftskrise kaum eine Rolle auf den Wahlkampfveranstaltungen der beiden großen Parteien, der PSOE des noch regierenden Sozialisten José Luis Rodríguez Zapatero, die den ehemaligen Vizepremier und Innenminister Alfredo Pérez Rubalcaba in die vorgezogenen Neuwahlen schickt und der konservativen Partido Popular (PP) des Herausforderers und allen Umfragen zu Folge künftigen Regierungschefs Spaniens, Mariano Rajoy.

„Schließt dich dem Wandel an!“ heißt das Wahlmotto der Konservativen. Rajoy glänzt durch starke Worte ohne Inhalt. Er werde das Vertrauen der Wirtschaft wiederherstellen, das Land aus der Krise holen, den Haushalt sanieren. Wie? Mit welchen Maßnahmen er das erreichen will, darüber schweigt er sich aus. Dabei ist eigentlich allen klar: Auf Spanien kommen weitere Kürzungen zu.

Die regierenden Sozialisten haben Vorarbeit geleistet, doch ohne den gewünschten Erfolg. Sozialleistungen wie das Kindergeld, die Hilfe für Langzeitarbeitslose wurden gestrichen, die Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst gekürzt, lukrative Staatsbetriebe privatisiert. Das Defizit sollte damit von 11,2 Prozent 2009 auf 6 Prozent zum Ende diesen Jahres gesenkt werden. Es wird wohl nicht gelingen. Mindestens 6,6 Prozent werden es sein und 2012 5,9 statt der vorgesehen 4,4 und 2013 5,3 statt den 3 Prozent, die das Euroabkommen von Maastricht einst als Obergrenze setzte. Der zusätzliche Sparbedarf beläuft sich für die nächsten beiden Jahre auf mindestens 36 Milliarden Euro. Zapatero kürzte 2010 gerade einmal zehn Milliarden.

Rajoy hat eine bequeme Rolle. Sein sozialistischer Kontrahent Pérez Rubalcaba trägt die Last dieser unsozialen Krisenpolitik, die zu Generalstreik und den Protesten der Empörten geführt hat. Auch wenn er jetzt davor warnt, Spanien könne sich „totsparen“ und deshalb öffentliche Investitionen verspricht, um Arbeitsplätze zu schaffen, hört ihm kaum noch jemand zu. Seine PSOE dürfte allen Umfragen zu folge mehr als ein Viertel der Parlamentssitze verlieren, die PP mit einer breiten absoluten Mehrheit gewinnen.

„Sagen Sie mir wie Ihr Programm aussieht“, verlangte Pérez Rubalcaba in der einzigen Fernsehdebatte der beiden Kandidaten von Rajoy immer wieder. Dieser redete sich geschickt mit Allgemeinplätzen heraus. Doch ein Blick in von den Konservativen regierten Regionen Spaniens zeigt, wie das Wirtschafts- und Sozialprogramm Rajoys aussehen könnte. Dort werden Teile des Gesundheits- und Bildungssystem privatisiert, Sozialausgaben gekürzt, Angestellte aus dem öffentlichen Dienst entlassen.

Auch als in den letzten beiden Tagen die Zinsen für die spanischen Staatsanleihen auf Rekordniveau stiegen, ließ sich Rajoy nicht aus der Ruhe bringen. Die Tageszeitung El Mundo kündigte auf dem gestrigen Titelblatt ein langes Interview mit Spaniens zukünftigem Regierungschef mit einem der für ihn typischen Zitate an: „Ich werde mutig sein, denn es ist nötig Entscheidungen zu treffen!“

Was bisher geschah: