© 2011 Reiner Wandler

Absolute Macht

Die Freude der einen ist das Debakel der anderen. Spaniens konservative Partido Popular (PP) unter Mariano Rajoy hat am Sonntag die Wahlen mit einer nie dagewesenen, breiten absoluten Mehrheit gewonnen. Mit 44,6 Prozent der Stimmen verfügt die PP künftig über 186 der insgesamt 350 Sitze im spanischen Parlament. Die bisher regierenden Sozialisten der PSOE, die den Stellvertreter unter ehemaligen Innenminister des amtsmüden José Luis Rodriguez Zapatero, Alfredo Pérez Rubalcaba, in die um ein halbes Jahr vorgezogenen Neuwahlen schickten, erzielte das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte. Sie wurden nur noch von 28,7 Prozent gewählt und halten künftig noch 110 Abgeordneten. Das sind ein Drittel weniger als bisher. Während die PP ihre Wählerschaft von 10,3 Millionen auf 10,8 Millionen nur knapp ausbauen konnte, verlor die PSOE vier von zehn Stimmen. Wahlverlierer Rubalcaba kündigte für Anfang kommenden Jahres einen Parteitag an, auf dem sich die PSOE erneuern soll.

Mehrere kleine Parteien profitieren von der regelrechten Implosion der PSOE, die von ihren Wählern für ihre Krisenpolitik abgestraft wurden. Die postkommunistische Vereinigte Linke (IU) hat künftig statt einem gleich neun Abgeordnete, die in der politischen Mitte angesiedelte Union für Fortschritt und Demokratie (UPyD) fünf statt bisher einem. Enttäuschend war der Wahlabend für die neue, grüne Kraft Equo. In der Provinz Madrid kam sie nicht über die drei Prozent, die Spitzenkandidat und Ex-Greenpeace-Chef Juan López de Urlade für einen Parlamentssitz gebraucht hätte. Ein kleiner Trost ist das Ergebnis von Compromis-Equo, einem Bündnis aus Regionalisten und Ökologisten in Valencia, die einen Abgeordneten ins Parlament entsendet. Und die Initiative für Katalonien/ Die Grünen (ICV) holte zwei statt bisher einem Sitz. Für Überraschung sorgten die baskischen Linksnationalisten von Amaiur. Nur wenige Wochen nach der Verkündung eines „endgültigen Waffenstillstandes“ durch die Separatistenorganisation ETA erzielten sie sieben Abgeordnete und liegen damit vor den gemäßigten Baskisch nationalistischen Partei (PNV).

Tausende versammelten sich in der Wahlnacht vor der PP-Zentrale in Madrid. Sie jubelten Rajoy zu und verlangten von ihm, dass er die fortschrittlichen Reformen der vergangenen Jahre, wie das Recht auf Abtreibung und die Homoehe zurücknimmt. Die Versuchung, Spanien wieder einen konservativ-religiöse Politik aufzudrücken, ist groß. Denn die PP verfügt nach den Parlamentswahlen über eine absolute Macht auf allen Ebenen. Sie regiert in fast allen Provinzhauptstädten, sowie in 11 der 17 Regionen des Landes und ist in zwei weiteren Mehrheitsbeschaffer. Bei den Wahlen im südspanischen Andalusien im kommenden Frühjahr dürfte auch diese letzte PSOE-Hochburg fallen.

„Wir werden in der heikelsten Konjunkturlage der letzten 30 Jahre regieren“, versuchte Wahlsieger Mariano Rajoy die Euphorie seiner Anhänger zu dämpfen. Die Märkte haben Spanien in den letzten Tagen trotz des sich abzeichnenden Erfolges der Konservativen wieder ins Visier genommen. Die Zinsen für Staatsanleihen stiegen auf über sieben Prozent.

Die Ratingagenturen drohen damit Spanien weiter abzustufen, da die Wirtschaft völlig stagniert und die Sparziele nicht eingehalten werden können. Die alte Regierung hat sich dazu verpflichtet, die Haushaltsdefizit 9,3 Prozent des BIP (2010)in diesem Jahr auf 6,0 Prozent zu senken. Dies wird nicht gelingen. Schätzungen gehen von 6,6 Prozent aus. Das Wachstum wird 2011 deutlich unter einem Prozent liegen. Die Arbeitslosigkeit steigt weiter an. Spanien hat mit 21,5 Prozent die höchste Arbeitslosigkeit in der EU.

„Es wird keine Wunder geben. Wir haben dies auch nicht versprochen“, warnte Rajoy angesichts dieser Lage vor allzu großen Erwartungen. Wie er der Krise Herr werden will, verriet er auch am Tag nach dem Urnengang ebenso wenig wie die Zusammensetzung seiner Regierungsmannschaft. Die Börse in Madrid verzeichnete gestern erneut Kursverluste. Die Zinsen für Staatsanleihen auf zehn Jahre stiegen erneut. Am Ende des Tages lagen sie auf über 6,5 Prozent.

Was bisher geschah: