© 2011 Reiner Wandler

#spanishrevolution -Dort, wo alles anfing

680 Kilometer, mehr als einen Monat auf der Landstraße – als am Samstag Abend die sieben Kolumnen des „Sternmarsches der Empörten“ die Puerta del Sol in Madrid erreichten, standen Manuel aus Vigo die Tränen in den Augen. „Wir haben es geschafft“, sagt der 50-Jähreige bevor er seine Kollegen aus dem nordwestspanischen Galicien einen nach der anderen umarmt. Brais, der Schriftsteller, Sabrina die Medizinstudentin, Ainoa, die Lehrerin, die diesen Sommer ihren Job verloren hat, gehören zu denen, die durchgehalten haben. Braungebrannt, die T-Shirts von der Sonne ausgebleicht ziehen sie auf der Puerta del Sol ein. Unzählige Menschen erwarten sie. „Ihr seit die Größten“, rufen sie und applaudieren.


So mancher hat hingeschmissen, neue sind hinzugekommen. Es waren schließlich 200 Menschen, die am Samstag aus dem Nordwesten in Madrid ankamen. In allen sieben Kolumnen kamen insgesamt über 2.000 Marschierer nach madrid. Auf den letzten Kilometern schlossen sich ihnen Tausende von Madrilenen an. 15.000 bis 20.000 Menschen versammelten sich schließlich an der Puerta del Sol.

Es war ein harter, langer Weg: „Ich habe oft gezweifelt, aber irgendwer hat mir immer wieder zugesprochen, meine Moral aufgebaut“, erzählt Manuel. Er ist einer von 5 Millionen, die in Spanien keinen Job haben. Über 20 Prozent beträgt die Arbeitslosenquote. Unter den jungen Menschen ist sie mehr als doppelt so hoch. Manuel bezieht seit drei Jahren keine Stütze mehr und ist in die Obdachlosigkeit abgerutscht.

Die Puerta del Sol im Herzen Madrids ist ein doppeltes Symbol. Hier liegt der „Kilometer Null“ des spanischen Fernstraßensystems, und hier wurde das größte der Protestcamps errichtet, als die „Empörten“ am 15. Mai zum ersten Mal unter dem Motto „Echte Demokratie jetzt!“ auf die Straße gingen. 15-M heißt die Bewegung deshalb.

Es geht um ein gerechteres Wahlsystem und vor allem gegen die anti-soziale Politik, mit der Spaniens Regierung die Finanzkrise bewältigen will. Kürzungen beim Arbeitslosengeld, bei den Gehältern im öffentlichen Dienst, der Rente, im Gesundheits- und Bildungssystem, Eingriffe in den Kündigungsschutz … Gleichzeitig wurde die Vermögenssteuer abgeschafft wurde, und die Banken mit Milliardenbeträgen unterstützt. Sie haben ihren Teil zur Spekulationsblase im Immobiliensektor beigetragen. Jetzt wo diese geplatzt ist, zahlen viele Schuldner ihre Kredite nicht zurück. Banken und Sparkassen brauchen dringend Kapital vom Staat. Die Schuldner, die ihre Wohnungskredite nicht zurückzahlen können, werden auf die Straße gesetzt. 15.000 Familien ereilte dieses Schicksal im ersten Quartal 2011. 60 Zwangsräumungen wurden im durch Aktionen der bewegung 15-M verhindert.

„Das ist keine Krise, es ist das System!“ und „Wir bezahlen eure Krise nicht!“ riefen Tausende von Menschen einmal mehr auf der Puerta del Sol. „Sie repräsentieren uns nicht!“ machten sie ihrem totalen Vertrauensverlust in Parteien und Parlament Luft.

„Das ist erst der Anfang“, erklärt die 37-jährige Lehrerin Ainoa überglücklich. Während ihre Kollegen auf Grünflächen im Stadtzentrum ihre Zelte aufschlagen, wartet auf Ainoa ein weiches Bett. Sie kommt aus Madrid und schloss sich vor mehr als zwei Wochen den Galiciern an. Für Sonntag Abend war eine Großdemonstration durch Madrid geplant. Am 15. Oktober wird weltweit mobilisiert. „Auf nach Brüssel“, rufen sie auf dem Platz, trotz müder Beine.

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