© 2011 Reiner Wandler

So war/ist Spanien

General Francisco Franco, der Spanien knapp 40 Jahre mit eiserner Hand regierte, „errichtete ein autoritäres, aber kein totalitäres Regime“. Der letzte Präsident der von eben jenem Franco in einem „Befreiungskrieg“ und einem „echten Kreuzzug“ gestürzten Republik, der Sozialist Juan Negrín, regierte hingegen „praktisch diktatorisch“.

Die Zitate stammen nicht etwa aus einem rechtsradikalen Pamphlet, sondern aus der so eben erschienen Biographischen Enzyklopädie der spanischen Königlich Geschichtsakademie (RAH). Das Werk umfasst 25 Bände. Die mehr als 40.000 Biografien bekannter Spanier verschlangen sechs Millionen Euro an Steuergeldern. 5.500 Historiker waren beteiligt.

Doch nicht genug mit den Biografien Francos und Negríns: Die Säuberungswelle, der nach Ende des Bürgerkrieges je nach Quelle zwischen 130.000 und über 200.000 Menschen zum Opfer vielen, wird mit keinem Wort erwähnt. Ein Massaker im südspanischen Almendralejo, das den Tod von rund eintausend Demokraten, Linker und Gewerkschafter zur Folge hatte, wird mit dem Ausdruck „das Leben der Bürger normalisieren“ umschrieben.

Dem hingegen müssen sich diejenige, die auf Seiten der Republik und damit auf Seiten der verfassungsmäßigen Ordnung kämpften, den Vorwurf einer „Politik des revolutionären Terrors“ gefallen lassen. So etwa der damalige Chef der Kommunistischen Jugend und spätere Generalsekretär der Kommunistischen Partei Spaniens Santiago Carrillo, „der seine Verantwortung für die Schlächterei nie übernommen hat.“

Auch die Jahre nach dem Tod Francos 1975 und dem damit verbundenen Übergang zur Demokratie beobachtet die RAH mit der ihr eigenen Methode. Der gescheiterte Militärputsch am 23. Februar 1981 gegen die junge Demokratie wird zum „Zwischenfall“. In der Biografie des führenden Generals Alonso Armada ist das Thema gerade einmal zwei Zeilen wert.

Wer wissen will, wie die rechte, katholische Laienorganisation Opus Dei zu ihrem Einfluss in der spanischen Kirche kam, dem hilft die RAH ebenfalls weiter: „Der Herr ließ Pater Escrivá während er die Heilige Messe las, die juristische Lösung sehen, wie er die Priesterweihe im Namen des Opus Dei abnehmen konnte“, heißt es in der Biografie des Gründers des religiösen Geheimbundes, Escrivá de Balaguer.

Auch der Konservative José María Aznar, der 1998 als Regierungschef die sechs Millionen Euro für die Enzyklopädie bewilligte, wird mit einer wohlwollenden Biografie bedacht. Es ist von seinen „Erfolgen in der Aussenpolitik“ die Rede. „Spanien hört Spanien auf ein Land in der zweiten Reihen zu sein“, unter anderem dank der „Unterstützung des nordamerikanischen Vorgehens im Irak“.

„Was in der RAH passiert ist eine echte Schande“, macht sich der Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa zum Sprecher derer, die das Werk kritisieren. „So etwas kann nicht einfach durchgehen. Und schon gar nicht, wenn es mit öffentlichen Geldern bezahlt wird“, fügt er hinzu. Der Direktor der RAH, Gonzalo Anes, ist sich keiner Schuld bewusst. Für ihn ist das Werk „objektiv und ohne Adjektive“.

Was bisher geschah: