© 2011 Reiner Wandler

Einstürzende Neubauten

„Hier sieht es aus wie in Beirut“, erklärt Francisco Jódar, Bürgermeister der südostspanischen Stadt Lorca, nach einem Rundgang durch seine Gemeinde, die Mittwoch Nachmittag Opfer zweier Erdbeben wurde. „Trümmer auf dem Boden, riesige Risse in den Wänden“, beschreibt er den Zustand der Gebäude nach den beiden Erdstößen der Stärke 4,5 und 5,2 auf der Richterskala. Acht Menschen kamen ums Leben. 120 wurden zum Teil schwer verletzt. „80 Prozent der Häuser sind beschädigt“, erklärt Jódar. Das Epizentrum befand sich direkt unter der 92.000-Einwohner-Stadt in der Region Murcia.

Mehrere Gebäude stürzten ein, Schulen, Altersheime und das örtliche Krankenhaus wurden evakuiert. Über 10.000 Menschen schliefen aus Angst vor Nachbeben im Freien. Am Donnerstag unter suchten Feuerwehrleute und Architekten die Wohnungen, um danach zu beschließen, wer nach Hause zurück kann und wer nicht.

„Die Gebäude hätten nicht einstürzen dürfen, es hätte keine Opfer geben dürfen“, erklärte der Vorsitzende des Geologenverbandes, Luis Suárez, am Mittwoch unmittelbar nach dem Beben. „Ein 5,2 auf der Richterskale hat nicht die Kraft, um Gebäude zum Einsturz zu bringen“, weiß er. Die sei nur möglich, „wenn sie bereits zuvor Schäden hatten.“ Ein Blick in google-streetview zeigt, die betroffenen Wohnblocks waren alle nur wenige Jahre alt.

Lorca und die gesamte Provinz Murcia sind Erdbebengebiet. 2006 wurde die Region Opfer eines Erdstoßes mit der Stärke 4,8. Suárez hatte immer wieder davor gewarnt, dass die Region in „absehbarer Zukunft“ ein schweres Beben erleben würde. Gehört hat ihn in Südostspanien keiner. Murcia und die Stadt Lorca haben in den Jahren des Baubooms mitgezockt, wie kaum eine zweite Region.

Überall wurden schnell Wohnungen aus dem Boden gestampft und so Milliarden verdient. Ganz offensichtlich wurden dabei einfachste Sicherheitsbestimmungen ignoriert. Die Art wie die Gebäude einstürzten – sie klappten wie ein Sandwich in sich zusammen – weiße auf ungenügende Fundamente und auf zu schwach ausgelegte Pfeiler hin, sagt Suárez. „Es ist Aufgabe der Gemeindeverwaltungen die strikte Einhaltung der Sicherheitsauflagen zu überwachen, wenn sie Baugenehmigungen vergeben“, erklärt der Geologe.

Lokalpolitiker wollen von einer solchen Debatte nichts wissen. Schnell erklärten sie im öffentlichen Radio, dass es jetzt nicht an der Zeit sei, über Verantwortung zu reden, sondern zu helfen. Am 22. Mai stehen in Spanien Gemeinderats- und Regionalwahlen an. Eine Diskussion über die Folgen des Baubooms kommt da mehr als ungelegen.

Was bisher geschah: