© 2011 Reiner Wandler

#acampadasol contra viento y marea

 

Kein noch so großes Polizeiaufgebot, keine noch so regnerische Gewitternacht und auch kein Urteil der Wahlkommission kann die Proteste in Spanien für „Echte Demokratie-jetzt!“ stoppen. In fast allen Städten wurden mittlerweile Protestcamps errichtet und auf der Puerta de Sol mitten in Madrid kamen am Mittwoch Abend einmal mehr über Zehntausend Menschen zusammen. Längst sind es nicht mehr nur Jugendliche. Ganze Familien, Rentner und auch immer mehr Immigranten treffen sich, um gegen die Auswirkung der Krise und die politische Klasse zu demonstrieren.

„Die Bitte nach einer verantwortungsbewussten Stimmabgabe auf die sich der Antrag bezieht, kann die Wahlkampagne und Freiheit der Bürger bei der Ausübung des Rechtes auf Stimmabgabe beeinträchtigen“, heißt es in dem halbseitigen Bescheid, mit dem die Madrider Wahlaufsicht eine Genehmigung der Proteste verweigert. Am Sonntag wählt Spanien die kommunalen und regionalen Vertreter. Eine der Forderungen der Menschen auf dem Platz lautet, keine Parteien zu unterstützen, auf deren Listen sich Politiker befinden, gegen die wegen Korruption ermittelt wird, oder die gar schon in erster Instanz verurteilt sind. Bei über 260 Kandidaten der sozialistischen PSOE, der konservativen Partido Popular (PP) und mehrerer kleinerer Parteien ist dies der Fall.

Bei den Menschen auf dem Platz und bei den meisten Teilnehmern an Radio- und Fernsehdebatten stößt das Urteil auf Unverständnis. „Endlich wird im Wahlkampf über Politik geredet“, verteidigt ein Kommentator des öffentlichen spanischen Rundfunks RNE die Protestaktion. Das Camp ist längst Hauptthema zu allen Stunden.

Die regierenden Sozialisten versuchen sich der Bewegung anzunähern. Mehrere Stunden stand das Kommuniqué von „Echte Demokratie – jetzt!“ auf der Homepage der PSOE. Bis es schließlich – wohl nach internen Debatten – wieder heruntergenommen wurde. „Ein Fehler“, hieß die knappe Begründung.

Er wolle die Protestierenden „anhören“ und „verstehen“ versprach der sozialistische Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero, der für den Sozialabbau im Rahmen der Krise verantwortlich zeichnet. Zapatero fordert „von ganzer Seele“ die fortschrittlichen Stimmen für die Seinen ein. Der PSOE-Spitzenkandidat in der Region Madrid, Tomás Gómez, ging noch einen Schritt weiter. Er wollte sich auf dem Platz selbst Gehör verschaffen, wurde aber von den Menschen nach Hause geschickt.

„Warum sind sie an der Puerta de Sol und nicht vor der Moncloa?“ fragt die konservative Madrider Landesmutter Esperanza Aguirre, die am hautstädtischen Platz ihren Amtssitz hat, während Zapatero außerhalb im Regierungspalast Moncloa residiert. „Die Linke versucht die Bewegung zu manipulieren“, schimpft Aguirre, die unter den Jugendlichen für ihre Politik, Schulen, Unis und Gesundheitssystem zu privatisieren, besonders unbeliebt ist: „Ich befürchte, sie machen das gegen die PP.“

Konservative Medien gehen noch einen Schritt weiter. Sie sehen hinter den Protesten den langen Arm des Innenministeriums und der Geheimdienste. „Die PSOE, Experte für schmutziges Spiel, steckt hinter den Demonstrationen“, unterstützt ein ehemaliger PP- Minister die Verschwörungstheorie.

„Das Phänomen liegt auf der Linie der arabischen Revolten. Dort wollen sie wählen, hier sagen sie, das Wählen nichts bringt“, trifft der frühere sozialistische Premier Felipe González, der mittlerweile als weiser, alter Staatsmann agiert, als einziger den Geist der Bewegung.

Was bisher geschah: