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Portugal erneut herabgestuft

Portugal befindet sich im freien Fall. Am Dienstag hat auch die letzte der großen Ratingagenturen das südwesteuropäische Land heruntergestuft. Baa1 erhält die Kreditwürdigkeit des ärmsten westeuropäischen Landes von Moody’s jetzt, statt wie bisher A3. Doch das ist noch nicht einmal die schlechteste Bewertung. Bei Standard&Poor’s sowie bei Fitch wird Portugal seit vergangener Woche gar zwei Noten tiefer gehandelt. Das Land liegt bei beiden nur noch eine Stufe vom „Ramsch-Status“ entfernt. Damit werden besonders unsichere, hochspekulative Anlagen bewertet. Diesen Status hat in Europa bisher nur Griechenland inne.

Mit der letzten Herabstufung verfolgen die Ratingagenturen das Ziel, Portugal unter den EU-Schutzschirm zu zwingen. Der sozialistische Premierminister José Sócrates hatte bisher die Auffassung vertreten, die Krise selbst lösen zu wollen. Doch dazu lassen ihm die Agenturen weder Zeit noch Spielraum. Das kleine Portugal befindet sich in einem Teufelskreis. Jedes Mal, wenn das Sparpaket die Staatsausgaben einschränken, fallen die Noten der Agenturen und die Zinsen für Staatsanleihen steigen. Die Ersparnisse lösen sich in Luft auf.

Portugal steckt nicht nur in einer finanziellen Notlage sondern auch in einer tiefen politischen Krise. Denn Sócrates ist nur noch als Übergangsregierungschef im Amt. Vor knapp zwei Wochen schmiss er hin, nachdem das Parlament erneute tiefe soziale Einschnitte zum Zweck der Haushaltskonsolidierung ablehnte. Es war das vierte Sparpaket seit die Finanzkrise begann. Mit weiteren Einschnitten bei Sozialausgaben und Rentensystem sollte die Neuverschuldung von 9,4 Prozent 2009 auf 4,6 Prozent für das laufende Jahr gedrückt werden. Ob links oder rechts, die Opposition stimmte geschlossen dagegen.

Der Vertrauensverlust auf den Finanzmärkten wird durch eine mehr als fragwürdige Informationspolitik seitens der portugiesischen Regierung verstärkt. So musste Lissabon in den letzten beiden Jahren die Wirtschaftsdaten immer wieder korregieren. Zuletzt geschah dies vor wenigen Tagen. Die Regierung Sócrates errechnete für 2010 eine Neuverschuldung von 7,3 Prozent. Eurostat protestierte. Sócrates rechnete nach. Und siehe da, plötzlich waren es 8,6 Prozent. Der Sozialist entschuldigte diese Lücke mit einem Versehen: Seine Regierung habe die Schulden von staatlichen Unternehmen nicht berücksichtigt. Das Haushaltsdefizit liegt damit bei mehr als 90 Prozent des BIP und nicht bei 82,4 Prozent, wie zuerst angegeben.

Jetzt müssen die Wähler am 5. Juni entscheiden, wer in Lissabon künftig regiert. Das dies so oder so für die Bevölkerung zu weiteren starken Verlusten führen wird, daran lässt der konservative Staatspräsident Anibal Cavaco Silva keinen Zweifel: „Die neue Regierung wird mit einer nie da gewesenen Krise konfrontiert werden. Die Probleme sind so groß, dass sich niemand der Illusion hingeben darf, diese würden von heute auf morgen verschwinden“, erklärte er in einer Fernsehansprache, bei denen er die Neuwahlen ankündigte. Sócrates will erneut kandidieren.

Auch nach den letzten Herabstufungen weigert sich Sócrates einen Antrag auf EU-Hilfe zu stellen. Eine Übergangsregierung habe für einen solch einschneidenden Schritt nicht die nötige Legitimität. Ausgerechnet die portugiesischen Banken könnten den noch amtierenden Premier dazu zwingen, diese Haltung zu überdenken. Laut einer der wichtigsten Wirtschaftszeitungen des Landes, dem „Journal de Negocios“, wollen die großen, portugiesischen Geldinstitute nicht länger in Staatsanleihen investieren. Das sollen die Bankiers am Montag der portugiesischen Zentralbank mitgeteilt haben. Die EU hatte bereits im März angekündigt, für eine Rettung Portugals bereitzustehen.

Was bisher geschah: