© 2011 Reiner Wandler

Maghreb-Union schaut untätig zu

Die internationale Gemeinschaft tut sich schwer mit Reaktionen auf die Krise in Libyen. Nicht nur die Vereinten Nationen oder die Europäische Union wussten tagelang nicht, wie sie sich verhalten sollten. Auch bei den unmittelbaren Nachbarn aus der Arabischen Maghreb- Union (UMA) macht sich Ratlosigkeit breit. Die bisherige Linie der 1989 gegründeten Vereinigung, der neben dem Land von Diktator Muammar Al-Gaddafi, Tunesien, Algerien, Marokko und Mauretanien angehören, ist die Nichteinmischung in innere Angelegenheiten anderer Staaten der Region. Dies wird sich auch jetzt kaum ändern.

Das UMA-Generalsekretariat begnügt sich mit einer kurzen Note vom vergangenen Mittwoch. Die Union bringt darin die „tiefe Sorge“ über die Nachrichten aus Libyen zum Ausdruck und fordert „ein sofortiges Ende der Gewalt in all ihren Formen“. Sanktionen oder eine direkte Unterstützung der Opposition wird es allerdings nicht geben. Außer Tunesien, das mit dem Sturz des dortigen Diktators und UMA-Mitbegründer Zine El Abidine Ben Ali die Welle der Revolutionen in der arabischen Welt ausgelöst hat, sind alle anderen Mitgliedsländer fest in der Hand mehr oder weniger undemokratischer Regime. In Algerien und Marokko unternimmt die Polizei seit Wochen alles, um Demonstrationen so klein wie möglich zu halten.

Tunesien versucht derweilen mit dem Flüchtlingsstrom fertig zu werden. Nicht nur die eigenen Landsleute fliehen aus dem umkämpften Reich Gaddafis. Auch Arbeiter aus Ägypter, China und westlichen Ländern kommen im Grenzort Ras Ajdir an. 35.000 zählen alleine die Ägypter, die bisher nicht wissen, wie sie in ihre Heimat weiterreisen sollen. Bis zum Ende der Woche rechnet der Rote Halbmond mit 50.000. Die tunesischen Freiwilligen, die Lebensmittel verteilen, und die Armee, die Notlager einrichtet und für medizinische Behandlung sorgt, stoßen an die Grenzen des Machbaren.

„Es steht uns eine humanitäre und sanitäre Krise bevor“, warnt der Bürgerrechtler Moez Jenai, der sich vor Ort ein Bild von den Zuständen macht. „Was hier geschieht, überfordert die tunesische Zivilgesellschaft und die örtlichen NGOs. Wir brauchen dringend internationale Hilfe“, erklärt er. Die UMA lässt Tunesien mit dem jedoch Problem alleine. Algerien, das ebenfalls eine lange gemeinsame Grenze mit Libyen teilt, beschränkt sich darauf, die militärische Kontrolle in der Sahara zu verstärken und die eigenen Landsleute zu evakuieren.

Seit der Gründung der UMA, die ähnlich wie die EU einen gemeinsamen Wirtschaftsraum anstrebt, hat sich für die Menschen im Maghreb nicht viel geändert. Theoretisch können sie frei zwischen den fünf Ländern reisen. Dennoch verlangt Libyen immer wieder ein Visum. Und die Landgrenze zwischen Marokko und Algerien ist seit den 90er Jahren geschlossen. Beide Nachbarn pflegen einen diplomatischen Streit. Algerien unterstützt die Polisario, die für die Unabhängigkeit der von Marokko besetzten, ehemaligen spanischen Kolonie Westsahara kämpft.

Jetzt angesichts der Libyenkrise, verstärkt sich die Kritik an der Maghreb-Union. „Es ist an der Zeit, dass die UMA den Völkern gerecht wird und aufhört eine Vereinigung der Regierungen zu sein“, schreibt die algerische Tageszeitung La Tribune. Und im revolutionären Tunesien werden Stimmen im Internet laut, die ganz offen eine militärische Intervention verlangen: „Die einzige Souveränität in Libyen liegt beim Volk. Und das Volk ruft nach schneller Hilfe angesichts der Angriffe durch Kriminelle und ausländische Invasoren. (…) Die tunesische Armee untersteht den Befehlen des obersten Chefs im Staate und das ist jetzt das tunesische Volk. Wenn das Volk verlangt, dass seine nationale Armee die libyschen Brüder verteidigt, muss sich die Armee in Bewegung setzen“, hieß es am vergangenen Mittwoch auf nawaat.org, eine Oppositionsseite, die unter der Diktator von Ben Ali eine herausragende Rolle spielte.

„Gaddafi muss sofort aus der UMA-Präsidentschaft ausgeschlossen werden“, verlangt der stellvertretende Vorsitzende der Maghreb-Gewerkschaftskoordination USTMA, Abdelmajid Sahraoui. Er stammt aus der tunesischen Gewerkschaft UGTT, die maßgeblich an den Protesten zum Sturz Ben Alis beteiligt war. Seine Gewerkschaft arbeitet an neuen Strukturen im Maghreb. Die UGTT will erreichen, dass auch unabhängigen Gewerkschaften z.B. aus Algerien in die USTMA aufgenommen werden.

Was bisher geschah: