© 2011 Reiner Wandler

"Wir haben gezeigt, dass alles möglich ist."

Nibras Hadhili (24), Informatikstudent, Reporter des tunesischen Oppositionsradio Kalima und aktives Mitglied der Studentengewerkschaft UGET.

Tunesien steckt an. Erst Algerien, dann der Jemen und jetzt vor allem Ägypten. Ist die Stunde der arabischen Jugend gekommen?

Keine Frage. Was uns in Tunesien geglückt ist, zeigt den jungen Menschen in der restlichen arabischen Welt, dass Veränderungen möglich sind. Die Angst vor einem starken, unschlagbaren Regime ist nicht mehr länger in den Köpfen der Jugend. Wir haben gezeigt, dass alles möglich ist. Eine Diktatur kann gestürzt werden. Wir können für eine bessere Zukunft kämpfen.

Wir das tunesische Beispiel einen Dominoeffekt auslösen, wie wir es Ende der 1980er Jahre in Osteuropa erlebt haben?

Die Situation ist durchaus vergleichbar. In beiden Fällen haben die Menschen eine Barriere überwunden, die vor allem psychologischer Natur war. Die Folge wird sein, dass wir überall in der arabischen Welt Proteste gegen die autoritären Systeme erleben werden.

Bisher haben viele geglaubt, dass eine Revolte in der arabischen Welt zwangsläufig eine gewalttätige Revolte sein wird, da es keinerlei Freiraum gibt, um die Unzufriedenheit auszudrücken. Viele analysierten den islamistischen Terror in diesem Sinne.

Auch damit hat Tunesien aufgeräumt. Wir haben gezeigt, das die Massen, dass die Bevölkerung in der Lage ist ein Regime zum Einsturz zu bringen, ohne Gewalt anzuwenden, ja sogar ohne eine politische Führung zu haben. Die jungen Menschen hier in Tunesien einte die Forderung nach mehr Gerechtigkeit und nach einem Ende des korrupten, autoritären Regimes. Das reichte. Als die Regierung auf die Proteste mit Gewalt gegen Zivilisten reagierte, schloss sich die ganze Bevölkerung zusammen.

Ist die Revolte der arabischen Jugend eine Revolte der gut Ausgebildeten?

Auf Tunesien trifft das sicher zu. Die Jugend hier ist zu einem großen Teil sehr gut gebildet. Und sie hat Zugang zu allen möglichen Plattformen und sozialen Netzwerken im Internet. Das hat es sehr leicht gemacht, uns zusammenzuschließen uns zu organisieren. Der virtuelle Raum war unser Freiraum, den das Regime von Präsident Zine El Abidine Ben Ali im wirklichen Leben nicht zuließ.

Welchen Rat würden sie den ägyptischen Jugendlichen mit auf den Weg geben?

Es ist wichtig für ein einziges Ziel einzutreten, nämlich für den Sturz der Diktatur. Alle Anstrengungen müssen diesem Ziel gelten. Andere Forderungen haben in einer solchen Bewegung erst einmal nicht verloren. Nur so können alle Strömungen, ohne Ausnahme, an den Protesten teilnehmen. Die Bewegung darf sich nicht spalten lassen. Wenn die Bewegung von irgendwelchen Strömungen politisiert wird, um sie zu vereinnahmen, oder um andere Strömungen auszuschließen, wird die Revolution scheitern. Außerdem ist es sehr wichtig, dass die Revolution friedlich bleibt. Nur so werden sich immer mehr Menschen den Protesten anschließen. Und das friedliche Vorgehen garantiert, dass die Revolution auch von aussen mit Sympathie betrachtet wird.

Was bisher geschah: