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Wie weiter?

Am Tag nach der Vereidigung des tunesischen Rumpfkabinetts liefen am Dienstag hinter den Kulisse die Handys heiß. Die Übergangsregierung des alten und neuen Ministerpräsidenten Mohammed Ghannouchi verhandelte mit der Gewerkschaft UGTT und dem Demokratischen Forum für Arbeit und Freiheit (FDTL), um doch noch deren Teilnahme am Bündnis der Nationalen Einheit zu erreichen. Die drei designierten Minister aus der Reihen der UGTT hatten am Dienstag ihre Vereidigung auf Druck ihrer Gewerkschaft abgelehnt. Mustapha Ben Jaafar vom FDTL hatte die seine „ausgesetzt“. Die Vier demonstrierten damit gegen den Verbleib mehrerer Schlüsselressorts bei der alten Regierungspartei RCD, neben Premier Ghannouchi betrifft dies vor allem das Innen-, Verteidigungs- und Finanzministerium.

In mehreren Städten kam es erneut zu Demonstrationen unter dem Motto: „RCD raus!“ In der Hauptstadt Tunis gingen rund 400 Menschen auf die Straße. Die Polizei beschränkte sich erstmals darauf die Straße zum Innenministerium abzusperren. In den vergangenen beiden Tagen waren die Ansammlungen, die noch über 1.000 Teilnehmer zählten mit Tränengas aufgelöst worden.


Um die Wogen nach einem turbulenten Start der Übergangsregierung zu glätten, traten Übergangspräsident Fouad Mebazaa und Premier Ghannouchi am Dienstag Abend aus der RCD aus. Dies ist ein ungewöhnlicher Vorgang, denn Ghannouchi war bisher der stellvertretende Vorsitzende der ehemaligen Staatspartei des vergangenen Freitag gestürzten Diktators Zine El Abidine Ben Ali. Parteichef Ben Ali selbst wurde am selben Tag aus der Partei ausgeschlossen.

Ob die Verhandlungen der Übergangsregierung mit der UGTT und dem FDLT zum Erfolg führen werden, war bis Redaktionsschuss nicht bekannt. „Wir hoffen, dass die anderen Oppositionskräfte doch noch teilnehmen“, erklärte die Generalsekretärin der Fortschrittlich Demokratischen Partei (PDP), Maya Jribi, gegenüber dieser Zeitung. PDP-Chef Nejib Chebbi hat das Ministerium für regionale Entwicklung akzeptiert. Außerdem sind der Ahmed Brahim von der postkommunistischen Ettajdid und mehre unabhängige Persönlichkeiten der Regierung der Nationalen Einheit beigetreten.

„Wenn diese Regierung nicht ihre Arbeit aufnimmt, ist das für Tunesien sehr gefährlich“, warnt PDP-Sprecherin Jribi. Denn dann drohe Tunesien in eine Krise zu stürzen, in der es nicht möglich sei, freie Wahlen vorzubereiten. „Die Demonstranten haben das Recht auf die Straße zu gehen, aber ich frage mich, was ist die Alternative? Dass die Armee die Staatsgeschäfte übernimmt?“ gibt Jribi zu bedenken.

Es wird erwartet, dass die Übergangsregierung auf Drängen der PDP und Ettajdid bereits in den kommenden Stunden erste wichtige Schritte zur Entflechtung von Staat und RCD bekannt gibt. Alle Parteizellen in Verwaltung und Staatsbetriebe sollen aufgelöst und deren Guthaben beschlagnahmt werden. Das restliche Vermögen der Staatspartei soll eingefroren werden, bis überprüft wird, was davon rechtmässig ist und was auf Korruption zurückgeht.

Tunesien ändert sich in Windeseile. Mehrere verbotene Parteien und Menschenrechtsorganisationen wurden zugelassen, dass Staatsfernsehen öffnet sich, Mitglieder des Familienclans des Präsidentenpaares wurden ebenso festgesetzt, wie der für die Repression gegen die Revolte verantwortliche Innenminister Rafik Haj Kacem. Die Direktorin der der Banque de Tunisie, Alia Abdallah, wurde daran gehindert in ihr Büro zu gehen, berichtet die tunesische Presse. Die Zentralbank in Tunis habe dies angeordnet, um zu verhindern, das wichtige Dokumente vernichtet werden. Abdallah gehört zum Clan rund um Ben Ali.

Was bisher geschah: