© 2011 Reiner Wandler

Haftbefehl gegen Ben Ali und Leila Trabelsi

Die tunesische Übergangsregierung unter Mohammed Ghannouchi hat den ehemaligen Präsidenten Zine El Abidine Ben Ali und dessen Frau Leila Trabelsi international zur Fahndung ausgeschrieben. Das gab am Mittwoch Mittag Justizminister Lazhar Karoui Chebbi, der einen internationalen Haftbefehl bei Interpol erwirkt hat. Dem am 14. Januar nach Saudi Arabien geflüchtete Paar wird die „illegale Aneignung von Gütern“ und die verbotenen Ausfuhr von Devisen“ vorgeworfen. Der Familienclan um Ben Ali und Trabelsi hatte sich in den Jahren der Macht alle wichtigen Unternehmen des Landes angeeignet. Mindestens 33 Mitglieder beider Familien wurden seit dem Sturz des Diktators Ben Ali in Tunesien verhaftet. Sie werden sich vor Gericht verantworten müssen.


Trotz der Nachricht vom Haftbefehl gegen den Ex-Diktator, der Tunesien 23 Jahre lang regierte, gingen die Proteste gegen die Übergangsregierung in mehreren Städten des Landes weiter. In der zweitgrößten tunesischen Stadt Sfax organisierte die Gewerkschaft UGTT einen Generalstreik, während in der Hauptstadt Tunis um die Tausend Menschen den Sitz von Premierminister Ghannouchi seit drei Tagen rund um die Uhr belagern.

Sie sind mit einer „Karawane für die Freiheit“ aus Zentraltunesien angereist, wo Mitte Dezember die Jugendrevolte begann, die schließlich das Regime von Ben Ali zum Sturz brachte. Die Protestierenden verlangen eine „saubere Übergangsregierung“, an der keine Politiker aus der alten Regierungspartei RCD teilnehmen.

Neben Premier Ghannouchi, der bereits 11 Jahre unter Ben Ali als Regierungschef gedient hatte, betrifft dies auch Schlüsselressorts, wie das Verteidigung- das Innen-, das Justiz- und das Außenministerium. Ghannouchi hatte für Mittwoch eine Umbildung der Regierung angekündigt. Ob er dabei nur die fünf Minister besetzt, die ihr Amt nicht angetreten oder niedergelegt haben, oder auch belastete Minister ersetzen wird, war bis Redaktionsschluss nicht klar. Drei Minister aus den Reihen der Gewerkschaft UGTT, sowie ein Oppositionspolitiker hatten ihre Posten aus Protest gegen die alte Garde in der Regierung nicht eingenommen. Ein RCD-Mitglied verließ Anfang der Woche das Kabinett.

Die Stimmung auf dem Platz der Kasbah vor dem Regierungssitz war mehr als angespannt. „Es geht das Gerücht um, das die Polizei versuchen wird, die Versammlung in den kommenden Stunden aufzulösen“, erklärt eine junge Demonstrantin am Telefon. Morgens hatte die Polizei Tränengas eingesetzt, als die Demonstranten versuchten eine Polizeisperre aus Stacheldraht zu überwinden. 20 Teilnehmer befinden sich im Hungerstreik. „Einige haben gesundheitliche Probleme“, berichtet die Gesprächspartnerin am Telefon.

Am Montagnachmittag hatte der tunesische Armeechef Rachid Ammar die vergebens versucht, die Demonstranten zum Verlassen des Platzes zu bewegen. „Eure Forderungen sind legitim. Aber ich hätte gerne, dass dieser Platz sich leert, damit die Regierung arbeitet – diese Regierung oder eine andere“, erklärte er in einer improvisierten Ansprache in der er die Armee als „Garant der Revolution“ bezeichnet. Ammar ist äußerst beliebt. Er soll sich geweigert haben, den Befehl Ben Alis auf die Demonstranten zu schießen, auszuführen.

Was bisher geschah: