© 2011 Reiner Wandler

Auf der Suche nach neuen Märkten

 

Die Zeit der fetten Kühe ist vorbei. 2010 schlug auch in Spaniens Windbranche die Krise durch. Es wird immer schwerer einen Kredit zu bekommen. Die Bedingungen der Banken sind strenger denn je. Und die zögerliche Haltung der Regierung des Sozialisten José Luis Rodríguez Zapatero wenn es um die neue Gesetzgebung für den Zeitraum bis 2020 geht, erschwert das Geschäft mit den erneuerbaren Energien zusätzlich. Die spanischen Unternehmen suchen ihr Glück im Ausland.

„1.516 Megawatt (MW) hat die Branche dieses Jahr in Spanien installiert“, berichtet Vorsitzende des spanischen Windverbandes (AEE), José Donoso Alonso. 2009 waren es noch 2.459 MW. Die Gesamtkapazität steigt auf 20.676 MW. Die Windenergie nimmt damit zwar die Zielhürde von 20.150 MW bis Anfang 2011, die von der Regierung einst gesteckt wurde, „doch die Perspektiven für das kommende Jahr sind alles andere als gut“, so Donoso.

„2011/2012 wird die Krise voll durchschlagen“, ist sich der AEE-Vorsitzende sicher. Schuld daran ist neben der schwierigen finanziellen Situation, die ständige Veränderung der Spielregeln durch die Regierung. Seit Mai 2009 muss jede neue Installation zusätzlich zu den umfangreichen Genehmigungsverfahren in ein Vorabregister eingetragen werden. Das habe den gesamten Prozess unnötig verlängert und erschwert. Die Maßnahme wurde von der Regierung ergriffen, nachdem es bei der Photovoltaik zu einer Spekulationsblase gekommen war, und das Kapazitätswachstum explodierten. Die Windbranche sei eine reife Branche mit langen Planungszyklen. „Eine Entwicklung wie bei der Photovoltaik ist hier unmöglich“, erklärt Donoso, der bis heute nicht verstehen kann, warum die Windenergie den gleichen Regeln unterworfen wurde.

„Planungsunsicherheit“, heißt das Schlagwort, das jeder in der Branche im Munde führt. Ein Blick auf die Beschäftigtenzahlen zeigen das ganze Ausmaß der Misere. „2009 hat die Windindustrie 5.000 direkte und indirekte Arbeitsplätze verloren. 2010 werden es noch mehr sein“, rechnet der AEE-Präsident vor. „Wir brauchen so schnell wie möglich neue gesetzliche Regelungen, die festlegen, wie der Zeitraum von 2013 bis 2020 aussehen soll“, fordert der AEE-Vorsitzende.

Zwar hat die Regierung Anfang Dezember ein neues Dekret erlassen. Doch darin ist nur von zeitlich begrenzten Kürzungen der Einspeisevergütungen die Rede, die im Sommer mit AEE ausgehandelt wurden. Bis 2013 werden diese je nach Anlage um bis zu 35 Prozent gesenkt. Zudem wird eine Obergrenze für den Bezug der Sondereinspeisevergütungen von 2.589 Stunden pro Jahr eingerichtet. Diese wird allerdings nur dann angewandt, wenn der landesweite Durchschnitt bei mehr als 2.350 produktiven Stunden liegt.

Alles weitere soll getrennt geregelt werden. Im Nationalen Aktionsplan, den Madrid bei der Europäischen Union vorgelegt hat, ist für 2020 von 35.000 MW Windenergie an Land und 3.000 MW offshore die Rede, doch wie und zu welchen Bedingungen das Ziel erreicht werden soll, ist nicht klar. „Die Windparks sind Langzeitprojekte. Wir brauchen deshalb vorausschauende Regelungen und Sicherheit auf sieben oder acht Jahre“, fordert Donoso.

„Die Unsicherheit hat den spanischen Markt paralysiert“, weiß auch Javier Perea, Verkaufsdirektor beim Windgeneratorenfabrikant Gamesa zu berichten. Das Unternehmen ist Nummer 1 in Spanien und Nummer 7 weltweit (Neue Energie 9/10, S. 104). Die Verkaufszahlen sprechen für sich. Setzte Gamesa 2009 noch 29 Prozent der Produktion in Spanien ab, waren es in den ersten drei Quartalen 2010 nur noch 7 Prozent. „Wir haben bereits vor Jahren unser Geschäft globalisiert. Das hilft uns jetzt, die Risiken zu minimieren“, berichtet Perea.

In diesem Jahr wuchs China zum wichtigsten Abnehmer von Gamesa-Generatoren heran. 29 Prozent der verkauften Kapazität gingen dieses Jahr ins Reich der Mitte, 2009 waren es nur 14 Prozent. Und die USA stiegen von 17 auf 22 Prozent. Dennoch macht sich bei Gamesa die Krise deutlich bemerkbar. Im Geschäftsjahr 2010 wird der nordspanische Fabrikant Generatoren mit 2.400 bis 2.500 MW verkaufen. Das ist ein Drittel weniger als vor der Krise im Geschäftsjahr 2008.

Auch die spanischen Betreiber suchen ihr Glück in der Internationalisierung. Ende 2009 hatte die Branche 9.210 MW im Ausland installiert. Das entspricht fast der Hälfte dessen, was zu Hause errichtet wurde. Über 40 Prozent davon stehen in den USA. Tendenz steigend.

So hat für Iberdrola Renovables – mit 12.500 MW das führende Unternehmen weltweit (Neue Energie 8/09, S. 84) – der US-Markt mit derzeit 4.314 MW fast schon den gleichen Stellenwert wie Spanien mit 5.593 MW (Stand 10/10). In den USA kamen in den ersten drei Quartalen 2010 855 MW hinzu, in Spanien waren es nur 393 MW. Der andere große spanische Betreiber, Acciona, hat knapp ein Viertel seiner insgesamt 7.716 MW im Ausland errichtet (Stand 9/10). „Es kann immer wieder zu Schwierigkeiten auf einzelnen Märkten kommen, die die Investroren verunsichern, wie derzeit in Spanien“, erklärt der stellvertretende Vorstandsvorsitzende von Iberdrola Renovables, Estanislao Rey-Baltar (siehe auch S. ). „Die Internationalisierung unseres Geschäftes ist deshalb die Grundlage unserer Strategie zur Diversifizierung. Diese Strategie minimiert das Risiko“, fügt er hinzu.“Wir haben 2010 nur halb so viele Kredite vergeben, wie vor der Krise“, bestätigt auch Josep Montanyes, Direktor für die Finanzierung von Windparks bei der spanischen Bank Sabadell, die schlechte Lage auf dem spanischen Markt. Das katalanische Finanzhaus ist mit 1,3 Milliarden Euro Krediten eine der großen Banken im spanischen Windgeschäft. „Da keiner weiß, wie es mit den Tarifen nach 2013 weitergeht, finanzieren die Banken nur noch Anlagen an sehr gute Standorten“, gibt Montanyes unumwunden zu. Außerdem sei die Zeit des leichten Geldes endgültig vorbei. Reichten 2008 noch ein Eigenkapitalanteil von 10 Prozent, wollen die Geldinstitute jetzt mindestens 20, manche gar 30 Prozent sehen. „Dadurch konzentriert sich der Windmarkt in immer weniger Händen“, beobachtet Montanyes. Zum einen sind da die großen Betreibern, die ihre eigenen Projekte entwickeln. Und zum anderen Investmentfonds, die immer mehr kleine Betreiber aufkaufen. Auch die Bank Sabadell schaut ins Ausland. „Bei neuen Projekten wollen wir einen Anteil von 30 Prozent außerhalb Spaniens finanzieren“, berichtet der Finanzspezialist. Dabei schaut er sich dort um, wo auch die spanischen Unternehmen aktiv sind. „USA, Großbritannien, Italien, Deutschland …“, zählt Montanyes auf.

„Ich weiß nicht, ob es möglich ist einen besseren Plan auszuhecken, um die Investoren zu entmutigen“, wettert Cristobal López gegen die Politik der Regierung Zapatero in den letzten beiden Jahren. Der Ingenieur ist Chef von EREDA, einem unabhängigen Büro für Projektentwicklung und Beratung in Madrid. Wenn einer die Branche kennt, dann ist es López. Er begann in seinen jungen Jahren, 1996 bei Iberdrola an Windenergieprojekten zu arbeiten. 2004 machte er sich dann mit zwei Kollegen selbstständig.EREDA leidet ebenfalls unter der Krise. Nicht nur, dass weniger Anlagen gebaut werden. „Die Unternehmen zahlen weniger für technische Untersuchungen bestehender Anlagen, und die technischen und operativen Revisionen werden in immer größeren Zeitabständen angesetzt“, sagt López. So mancher, der in den Zeiten der Bauspekulation sein Geld in erneuerbare Energien investiert hat, ziehe es jetzt wieder ab, um das eigentliche Kernunternehmen zu stützen.

Deshalb sucht auch López neue Märkte. Es sind Nischen, wie die Elektrifizierung einer Insel in Angola mit Hilfe der Windenergie. „Auch wenn wir jeden Monat rechnen müssen, wir waren vor der Krise 16 Festangestellte und wir sind immer noch 16. Das ist nicht schlecht in diesen Zeiten“, beendet López das Gespräch./zuerst erschienen bei Neue Energie

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