© 2010 Reiner Wandler

Qualitätsprobleme bei Solarenergie

 

2008 war das Jahr der Spanier. 2.600 MW installierte die Photovoltaikbranche in nur neun Monaten. Es war ein Lauf gegen die Zeit. Denn Ende September 2008 trat ein neues Gesetz in Kraft. Die Einspeisevergütung sank um 30 Prozent. Wer seine Anlage zuvor ans Netz brachte, bekam noch die alten Bedingungen. Jetzt, zwei Jahre später schaut so mancher besorgt auf seinen Solarpark. Die endgültige Abnahmezertifikat (CAD) steht an. Wer es unterzeichnet, verliert weitgehend die Garantie gegenüber den Installateuren. Ein kritischer Moment für Investoren und Betreiber: Die Gerüchte über fehlerhafte Anlagen reißen nicht ab. Indizien für erhebliche Qualitätsmängel bei Komponenten und Anlagendesign lassen sich überall finden. Doch offizielle Untersuchungen über den Zustand des spanischen Solarparks liegen keine vor.

50.000 Installationen mit einer Gesamtleistung von 3.500 MW stehen in Spanien. 80 Prozent der Anlagen, die zusammen rund 2.600 MW Leistung haben – wurden 2008 errichtet. Es herrschte Goldgräberstimmung. Jeder wollte rechtzeitig zum Stichtag 30. September ans Netz und sich so die alte, hohe Einspeisevergütung für die nächsten 25 Jahre sichern. Neben den alteingesessenen Marken, nutzen auch neue Fabrikanten – meist aus China – die Gunst der Stunden und drängten auf den überhitzten Markt. „Die Konstrukteure kauften, was sie bekommen konnten“, weiß Carrión. Das ging soweit, dass sich Installationsunternehmen und Betreiber die Solarmodule gegenseitig regelrecht unter der Nase wegschnappten. In der Branche kursieren allerlei Anekdoten, wie die von einem Container voller Solarpanels, der bestellt und bezahlt war und dann nie im Hafen von Valencia ankam. Unterwegs hatte jemand mehr geboten.

„2008 haben wir uns den Magen vollgeschlagen, jetzt müssen wir das ganze erst mal verdauen“, erklärt Antonio Carrión von PV Diagnosis. Das Unternehmen aus Madrid untersucht Solaranlagen auf technische Mängel. Friss oder stirb hieß die Logik auf dem durch den Boom immer enger werdenden Markt. Die Käufer verzichteten auf Garantieansprüche, meist wurden die Solar Panels keinerlei – der eigentlich von Rechts wegen vorgesehen – Kontrolle unterzogen. „Nur Großanlagenbauer konnten es sich leisten, Stichproben von Modulen ins Labor zu schicken“, sagt Carrión. Das geschah schon deshalb, weil diese Projekte von Banken finanziert wurden, und diese peinlich genau über die Rendite einer Anlage wachen.

Viele der Besitzer von Kleinanlagen jedoch nahmen die Kredite privat auf und gaben ihre Unternehmen oder Immobilien als Sicherheit an. „Sie verzichteten meist auf Qualitätsuntersuchungen der Komponenten, aus Angst nicht bis zum Stichtag fertig zu werden“, erklärt Carrión. Die Folge: „Nur die wenigsten Betreiber wissen, was sie eigentlich verbaut haben. Es fehlt schlichtweg das Foto zur Stunde Null.“ Das erschwere spätere Bewertungen der jeweiligen Solaranlage.

Ingenieur Carrión und sein Team, das in den letzten beiden Jahren Anlagen mit 70 MW untersucht hat, kommen meist dann zum Einsatz, wenn die endgültige Abnahme CAD ansteht, oder wenn der Betreiber das Gefühl hat, die Anlage bringe weit weniger als die versprochene Leistung und Garantieforderungen gegenüber dem Erbauer oder den Fabrikanten geltend machen will.

„Wir haben kaum eine Anlage gesehen, die nicht irgendwelche Probleme aufweist“, erklärt Carrión. Viele Solarpanels weisen erhebliche Mängel auf. Der Grund: Die Hersteller erhöhten 2008 ihre Produktion, die Qualität blieb auf der Strecke. In der Branche wird von Fällen geredet, in der Fabriken, ihren Ausstoß um bis zu 50 Prozent erhöhten. Die Panels wurden weder überprüft, noch wurden sie dem üblichen Alterungsprozess unterzogen.

Die Folgen: Die anfängliche Degradation ist höher als erwartet. Die Kunstharzschicht, in die die Zellen eingebettet sind, vergilben in kürzester Zeit, Kontakte oxidieren oder die verschiedenen Schichten des Moduls lösen sich voneinander und es entstehen Blasen. Außerdem treten vermehrt sogenannte heiße Punkte auf. Das sind Zellen und Kontakte, die sich stärker erhitzen als ihr Umfeld. Im Extremfall kann dies zum Totalausfall des gesamten Moduls führen.

Auch bei dem Design der Gesamtanlagen stößt PV Diagnosis immer wieder auf erhebliche Mängel. „Viele der kleinen Installationsunternehmen waren neu im Geschäft. Sie kannten das Prinzip aber nicht die Feinheiten beim Bau einer Solaranlage“, erklärt Carrión. Es wurden schlechte Wechselrichter verbaut, die Kabel sind zu dünn ausgelegt. Die Fundamente der Metallstruktur sind zu schwach. Dies führt vor allem bei Nachführsystemen dazu, dass sich die Anlage neigen kann. Außerdem wurden Panels an Orten aufgebaut, die immer wieder Abschattungen zum Beispiel durch Berge oder Pflanzen ausgesetzt sind. „Das wiederum kann zu heißen Punkten führen“, weiß der Ingenieur.

Doch am meisten beobachtet er das sogenannten Missmatching. Solarpanels werden in Serie geschaltet. Das Modul mit der schlechtesten Leistung gibt dadurch die Leistung der gesamten Reihe vor. „Werden die Panels zuvor durchgemessen und nach ihren Eigenschaften sortiert, optimiert dies die Gesamtleistung des Solarparks“, verkündet Carrión einen der Tricks zur Feinabstimmung, den viele Installateure missachteten.

Das es auch anders geht, zeigt Carrións eigenen Anlage. Mit dem Geld von Familienangehörigen und Freunden entwickelte und installierte er im Boomjahr eine 5-MW-Anlage im zentralspanischen Albacete. „Wir haben alle Qualitätskontrollen beim Bau eingehalten und haben nur einige kleine Probleme“, erklärt Carrión. Dies trifft auch auf die meisten großen Investoren zutrifft.

Das Hauptproblem sieht Carrión in den Garantiebestimmungen. Selbst wer einen guten Vertrag abgeschlossen hat, stößt auf Probleme.

„Zwar garantieren die Hersteller, dass die Module in den ersten zehn Jahren nur zehn Prozent Leistung verlieren, doch kommt da noch die Messtoleranz und Messfehler von rund drei Prozent hinzu“, weiß er. Also erst wenn ein Modul 13 Prozent Leistung verloren hat, kann der Betreiber es reklamieren. In der Zwischenzeit verliert er ordentlich Geld. Wer sich auf Module aus Fernost verließ, hat oftmals nur die Papiere des Importeurs oder Großhändlers in der Hand. Viele dieser Unternehmen schlossen am Ende des Booms. Das macht es noch schwerer zu seinem Recht zu kommen.

Bei den Installateuren sieht es nicht besser aus. Auch hier existieren viele der Betriebe, die sich 2008 in der Branche tummelten, längst nicht mehr. Branchenverbände und Gewerkschaften kalkulieren, dass seit Ende 2008 rund 30.000 Arbeitsplätze in der Photovoltaikbranche verloren gingen.

Das Resümee von PV Diagnosis fällt ernüchternd aus: „Mehr als die Hälfte der Anlagen, die wir besucht haben, produzieren weit weniger als geplant. Und in über 50 Prozent der Anlagen weisen die Panels nach gerade einmal zwei Jahren schwere Mängel auf“, sagt Carrión. Was das für die gesamte Branche bedeutet, kann er allerdings nicht sagen. Denn er kennt durch seine Arbeit fast nur Anlagen mit Problemen.

Wer vom spanischen Industrieministerium oder der Nationalen Energiekommission Studien über das Qualitätsproblem erwartet, sieht sich getäuscht. „Wir haben keine Daten. Die einzigen Indizien, die wir haben, kommen von den Recycling-Unternehmen für Solarmodule. Sie gehen von einem Geschäftsvolumen von einen Gigawatt in den nächsten drei Jahren aus. Bei 3,5 GW installierter Gesamtkapazität, können sie sich eine Idee machen, wie viele Panels ausfallen oder kaputtgehen“, erklärt ein Sprecher des Ministeriums. Eine Überprüfung dieser Zahl ist jedoch nicht möglich, denn es gibt in Spanien noch keine nennenswerte Recycling-Industrie.

„Das wären 30 Prozent Ausfallrate. Ich halte das für stark übertrieben“, bewertet Faustino Chenlo, Chef des Labors für Solarpanels im staatlichen spanischen Forschungszentrum für Energie, Umwelt und Technik (CIEMAT), die Angaben des Ministeriums. Aufgrund seiner Arbeit schätzt Chenlo die Quote der Module, die in den nächsten Jahren ersetzt werden müssen, „auf fünf, höchstens zehn Prozent“.

Chenlo testet für allerlei Investoren Panels. Seine Ergebnisse räumen mit einem Vorurteil auf. „Die Qualitätsmängel treten bei allen Herstellern auf, nicht nur bei denen aus China“, sagt er. Denn auch die namhaften Fabrikanten wurden Opfer des Marktes. 2008 wurde auch Material und Komponenten knapp. Wer weiterproduzieren wollte, kaufte was er fand.

„Die Lage verbessert sich“, beobachtet Chenlo. Seit die neue Regelung in Kraft ist, dürfen pro Jahr nur noch rund 500 MW installiert werden. Angebot und Nachfrage haben sich verschoben. „Je weniger Kunden, um so bessere Bedingungen können diese aushandeln“, sagt der Laborchef.

Außerdem hat Spaniens Regierung eine neue Qualitätsnorm in Vorbereitung. Das Gesetzeswerk sieht vor, dass die Anlagen einen Wirkungsgrad von mindestens 72 Prozent im ersten Jahr und 70 Prozent nach fünf Jahren erreichen müssen. Außerdem müssen Fabrikanten künftig die Komponenten wie Panels und Wechselrichter mit einer zehnjährigen Garantie versehen. Die Betreiber wiederum werden verpflichtet mindestens die ersten drei Jahre ein Wartungs- und Kontrollunternehmen unter Vertrag zu nehmen./ zuerst erschienen: Neue Energie

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