© 2010 Reiner Wandler

Nichts geht mehr

Portugal steht still. Die beiden großen Gewerkschaftszentralen, die kommunistische CGTP und die sozialistische UGT, haben erstmals in 22 Jahren gemeinsam zum Generalstreik gerufen, „um deutlich zu machen, dass die Politik geändert werden muss“. Die beiden Gewerkschaften, die zusammen 1,2 Millionen Mitglieder zählen, protestieren damit gegen ein umfangreiches Sparpaket, das am Freitag mit dem neuen Haushalt endgültig vom Parlament verabschiedet werden soll. Portugals sozialistischer Ministerpräsident José Sócrates möchte damit den Staatshaushalt sanieren und die Glaubwürdigkeit seines Landes auf den internationalen Finanzmärkten verbessern.

„Die Streikbeteiligung hat all unsere Erwartungen übertroffen“, erklären die beiden Gewerkschaftsführer Manuel Carvalho da Silva (CGTP) und João Proença (UGT). Die meisten Züge fahren nicht, die U-Bahn in Lissabon und Oporto bleibt geschlossen, der Müll wird nicht abgeholt, Krankenhäuser und Schulen arbeiten nur mit Notdienst, die Gerichte sindn leer und 98 Prozent der internationalen Flüge gestrichen. Auch die Privatwirtschaft ist vom Ausstand betroffen. Das größte Exportunternehmen des Landes, das Volkswagenwerk Autoeuropa, musste die Produktion einstellen, viele Sparkassen und Bankfilialen öffnen nicht. Und selbst die Soldaten, die von Gesetzes wegen nicht streiken dürfen, legen einen Reflektionstag ein.

Angesichts der Irlandkrise ist sein Land erneut den Spekulanten auf den internationalen Finanzmärkten ausgesetzt. Portugals Staatsbudget ist aus dem Lot. Ende 2009 belief sich die Staatsverschuldung auf 109 Prozent des Brutto-Inlandsproduktes. Die sozialistischen Regierung sieht keinen anderen Ausweg als die Mehrwertsteuern und die Abgaben für Besserverdienende zu erhöhen und bei den Ausgabenseite die Schere anzusetzen. Je nach Einkommensstufe werden die Gehälter im öffentlichen Dienst um 3,5 bis zehn Prozent gekürzt. Die Pensionsabgaben steigen. Pendlerzuschlag und Familiengeld werden gestrichen, Renten eingefroren. Staatsbetriebe werden zum Verkauf angeboten und staatliche Investitionen auf Eis gelegt.

„Wir müssen das Defizit angehen“, räumt selbst UGT-Chef Proença ein. Allerdings sei die derzeitige Politik der falsche Weg. „Es werden zu viele Opfer von den Arbeitern verlangt, und die, die mehr bezahlen könnten, bleiben aussen vor“, fügt er hinzu.

„Sócrates bleibt am Streiktag unsichtbar“, titelt die Internetseite der Tageszeitung Diário de Noticias. Er schickt einen Staatssekretär aus dem Verwaltungsministerium vor. Dieser muss eingestehen, dass es sich im Öffentlichen Dienst einer der großen Streiks in der Geschichte Portugals handelt.

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