© 2010 Reiner Wandler

Cyberangriffe in Spanien

Wer seit gestern Nachmittag die web der spanischen Autorenvereinigung SGAE aufrufen will, kommt nicht weit. Der Browser bleibt hängen, die Seite bleibt weiß. Das gleiche gilt für den Internetauftritt des spanischen Kultusministeriums. „Cyberkrieg“ titeln die meisten Tageszeitung Online und in Print.

Die beiden Seiten sind das Opfer eines breitangelegten DDoS-Angriffs. Dabei versuchen Tausende von Internetbenutzern gleichzeitig auf die beiden Seiten zuzugreifen. Da diese nur für einen bestimmten Datenverkehr ausgelegt sind, brechen die Server zusammen, die Seite wird nicht geladen.

Hinter diesem so simplen wie effektivem Vorgehen steckt eine Gruppe mit dem Namen Anonymous. Die internationale Cybergruppe hat den Angriff seit Wochen auf verscheidenen webs und Foren vorbereitet. Der Grund: Auf Druck der spanischen Autorenvereinigung und des Kultusministeriums hat die Regierung des Sozialisten José Luis Rodríguez Zapatero ein Gesetz erlassen, das P2P-Seiten, die urheberrechtlich geschützte Inhalte verbreitet, ebenso illegalisiert, wie webs und blogs, die auf diese Seiten mit links hinwiesen.

Spanien ist ein Paradies für Raubkopierer. Nicht nur Filesharing im Netz ist in Spanien sehr beliebt, das Land auf der Iberischen Halbinsel ist auch eines derjenigen europäischen Länder, in denen es am leichtesten ist, bei Straßenhändlern schwarz kopierte Musik, Filme und Videospiele zu erstehen.

Die Folge: Immer mehr Plattenläden verschwinden aus dem Stadtbild. Laut der Vereinigung der Techniker der Musikindustrie haben in Spanien 200 Aufnahmestudios ihren Betrieb eingestellt. 40 Prozent der Tontechniker sollen demnach ihren Job verloren haben. Selbst CD-Presswerke wurden geschlossen.

Es ist nicht das erste Mal, das Anonymous zuschlägt. In den vergangenen Monaten gelang es dem Cyberuntergrund international Internetauftritte verschiedener Musik- und Filmkonzerne, Branchenverbände, öffentlicher Organisationen zur Verteidigung des Urheberrechtes sowie von Anwaltsbüros lahmzulegen, die hinter der Verfolgung illegaler Downloads stehen. Zu den Opfern der DDoS-Aktionen gehören die Motion Picture Association of America, die Recording Industry Association of America, die British Phonographic Industry, sowie die Vereinigung gegen Urheberrechtsverstöße in Australien und den Niederlanden.

„Jetzt schlagen wir gegen die Anti-Piraterie-Lobby zurück“, erklärt ein Sprecher von Anonymous in einem Interview auf dem Pandalabs-Blog. In der Verfolgung von P2P- Seiten und von Downloads urheberrechtlich geschütztem Material sieht die Gruppe eine „Einschränkung der persönlichen Freiheit“. Piraterie sei „der nächste Schritt in einer kulturellen Revolution hin zur allgemein zugänglichen Information“.

Auch die Gegenseite rüstet sich. Nach dreijährigen Gesprächen zwischen Vertretern der wichtigsten Industrienationen scheint ein Abkommen gegen die Piraterie im Internet – das sogenannte ACTA – so gut wie unterschriftsreif zu sein.

Das Österreichische Fernsehen ORF veröffentlichte Informationen, die Vertreter der EU-Kommission bei Hintergrundgesprächen mit Journalisten in Brüssel bekanntgegeben haben. Demnach einigte sich die ACTA-Gesprächsrunde in Tokio darauf, dass die Teilnehmerstaaten Copyright-Verletzungen ebenso unter Strafe stellen, wie herkömmliche Produktfälschungen. Auch die Verwendung von Programmen, die zu Verstößen gegen das Urheberrecht genutzt werden können, soll unter Strafe gestellt gestellt werden“, enthüllt der ORF.

Was bisher geschah: