© 2010 Reiner Wandler

Abgaben für Privatkopien unrechtmäßig

Es war David gegen Goliath und es gewann David. Der kleine Informatikladen Traxtore unweit der Universität von Barcelona zog gegen den mächtigen, spanischen Autoren- und Verlegerverband (SGAE) vor Gericht. Die gesetzlich vorgeschriebenen Abgaben an die SGAE auf Material, das für digitale Privatkopien verwendet werden kann, sei nicht rechtmäßig, so die Klage. Schließlich enthalten nicht alle Kopien urheberrechtlich geschützte Werke Dritter, lautete die Begründung. Am Donnerstag – nach mehr als zwei Jahren Rechtsweg – gab jetzt der Gerichtshof der Europäischen Union den Klägern teilweise recht.


„Die unterschiedslose Anwendung der Abgabe für Privatkopien auf Anlagen, Geräte und Medien zur digitalen Vervielfältigung, die nicht privaten Nutzern überlassen werden und eindeutig anderen Verwendungen als der Anfertigung von Privatkopien vorbehalten sind“, sei mit den entsprechenden europäischen Richtlinien nicht vereinbar, heißt es im Urteil.

„Ich kann es immer noch nicht glauben“, erklärte am Donnerstag eine der Besitzerinnen des Traxtores, Ana María Méndez. Für sie ging es bei der Klage schlicht ums Überleben des Geschäftes. Die SGAE hatte ihr vor mehr als zwei Jahren eine Rechnung über 48.000 Euro zugestellt. Es handelte sich um die Abgaben für CD- und DvD-Rohlinge, Aufnahmegeräte, wie CD-Brenner, MP3-Player sowie USB-Sticks und externe Festplatten, die bei ihr über die Theke gegangen waren. Nach längeren Verhandlungen senkte der Autoren- und Verlegerverband den Betrag auf 16.000 Euro. Doch auch das hätte Traxtore empfindlich getroffen. Grundlage für die Abgabe ist ein Gesetzt zum Schutze des geistigen Eigentums aus dem Jahre 1987. 2006 wurden die Abgaben auf Material für die digitale Vervielfältigung ausgeweitet. Seither reist die Kritik an der Maßnahme nicht ab, und das obwohl die Abgaben zu den niedrigsten in der Europäischen Union zählen.

Das Urteil aus Luxemburg ist ein herber Schlag für die SGAE und mehrere kleinere Verbände, die über die das Urheberrecht wachen. Ein Teil der spanische Wirtschaftspresse macht die Rechnung: Da das Luxemburger Urteil Unternehmen, Verbände und Verwaltung von der Zahlung der von den Richtern als „unterschiedslos“ angesehenen Abgaben befreit, weil sie normalerweise selbstproduzierte Inhalte speichern, verlieren die Verbände rund 60 Prozent der Einnahmen von bisher jährlich 110 Millionen Euro aus den Abgaben auf digitales Material. „Auch wenn jeder einzeln klagen muss, können die Bewtroffenen bis zu 500 Millionen Euro einfordern“, erklärt der Anwalt der Traxtore-Besitzer Josep Jover. So hoch seien die unrechtmäßig kassierten Abgaben in knapp fünf Jahren.

Nur Privatkunden werden auch künftig die Abgaben tragen müssen, egal was sie mit dem erworbenen Material tatsächlich vorhaben. Denn „allein die technische Fähigkeit dieser Anlagen oder dieser Geräte, Kopien zu fertigen“ reiche aus, „um die Anwendung der Abgabe für Privatkopien zu rechtfertigen, sofern diese Anlagen oder Geräte natürlichen Personen als privaten Nutzern überlassen worden sind“, so das Urteil. Die Verbände verbuchen diesen Punkt für sich als Erfolg.

„Wir werden nach Alternativen suchen“, kündigte Kulturministerin Ángeles González-Sinde nur wenige Stunden nach der Urteilsverkündigung an. So mancher Kommentator befürchtete, dass González-Sinde, die einst der Film-Akademie vorstand, jetzt die Abgaben für Privatkunden erhöhen könnte, um die Verluste auszugleichen.

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