© 2010 Reiner Wandler

Gamesa: Made in Spain

Wer bisher „Made in Spain“ auf einem Produkt las, schenkte dem kaum Beachtung. Mit der Windenergie hat sich das geändert. Das spanische Unternehmen Gamesa baut Windgeneratoren, die längst mit zu den Besten weltweit gehören. 18.247 MW hatte die Generatorenschmiede aus Zamudio bei Bilbao zu Jahresbeginn weltweit installiert. Alleine im vergangenen Jahr verließen 3.145 MW die Gamesa-Werkshallen. Auf dem Ranking der MAKE Consulting der Großen der Branche stehen die Nordspanier auf Platz 7. Nimmt man die chinesischen Unternehmen, die fast ausschließlich in ihrer Heimat operieren, heraus, liegt Gamesa gar auf Platz 5 – hinter der dänischen Vestas, der us-amerikanischen GE und den beiden deutschen Unternehmen Enercon und Siemens. Eine ehrgeizige Entwicklungsabteilung soll dafür sorgen, dass Gamesa auch in den kommenden Jahren ganz oben mitmischt.

Wer in den letzten Monaten bei Gamesa vorbeischaut, bekommt immer eines vorgeführt: Den neuen Generator G10X. Die Gamesa-Ingenieure sind stolz auf diese Maschine. „Sie wurde zu 100 Prozent in Spanien entwickelt“, erzählt jeder unaufgefordert. Die G10X hat eine Leistung von 4,5 MW und ist dennoch transportabel wie ein 2-MW-Generator und das trotz ihrer gigantischen Ausmaße. Der Mast aus Beton und Stahl ist 120 Meter hoch. Der Rotor hat einen Durchmesser von 128 Metern, die Gondel wiegt stolze 280 Tonnen.

„Die G10X ist das Ergebnis von 1,3 Millionen Arbeitsstunden von 150 Ingenieuren aller Fachrichtungen“, erklärt Chefentwickler Antonio de la Torre, der vor dreieinhalb Jahren aus der Luftfahrtindustrie zu Gamesa wechselte. Die wichtigste Neuentwicklung stellen die Rotorblätter dar. Die 62 Meter langen Flügel lassen sich in zwei Segmente zerlegen. Dadurch wird der Transport per LKW erleichtert. Gamesa versichert nach langen Tests im Fachlabor, dass die Blätter dennoch so stabil sind wie die aus einem Guss. Hinzu kommt ein völlig neues Getriebe. Dank zweier Planetenstufen läuft es langsamer als andere und die Bauweise ist kompakter.

Ein eigens entwickelter Full Converter nutzt die Windenergie optimal aus. Netzfehler werden selbstverständlich durchfahren. Eine spezielle Software macht die Anbindung an Kontrollzentren, die den Generator aus der Ferne überwachen, möglich. Eine Besonderheit sind spezielle Sensoren, die die Verbindung der beiden Rotorsegmente rund um die Uhr überwachen. Gamesa verspricht außerdem niedrige Bau- und Wartungskosten. Dafür hat das Unternehmen eigens einen Kran entwickelt, der an die Gondel angekoppelt wird. Dies spare Zeit, heißt es bei Gamesa.

„Die G10X ist das Flaggschiff des Unternehmens und zugleich die Grundlage für die zukünftige Produktentwicklung“, erklärt De la Torre. Der G10X sei dank ihrer kompakten Bauweise der einzige wirkliche Hochleistungsgenerator für den Betrieb in Windparks auf dem Land, erklärt der Chefentwickler, der drei Tage die Woche in den Gamesa-Büros in Madrid und zwei Tage im nordspanischen Aoíz unweit von Pamplona arbeitet. Dort am Rande der Pyrenäen wurden die zwei Prototypen hergestellt. Der erste dreht sich in der Wüste in Aragón unweit des Ortes Jaulín in der Provinz Saragossa im Winde. Der zweite wird zur Zeit installiert.

Derzeit wird die neue Fabrik ausgebaut, denn ab 2011 soll eine Vorserie der G10X in Produktion gehen. „Nach einer zweiten Ausbauphase wird dann 2012 die Serienproduktion beginnen und zwar zeitgleich in drei Fabriken“, sagt De la Torre. Neben Aoíz soll die neue Maschine auch in den USA und in China gebaut werden. Ein einziger Generator ist in der Lage über 3.000 Haushalte mit Strom zu versorgen.

„Mit der G10X haben wir einen ersten Entwicklungszyklus abgeschlossen. Wir wollten eine leistungsstarke Multimegawatt-Maschine und wir haben sie jetzt“, erklärt José Antonio Malumbres. Der Generaldirektor für Technologie von Gamesa plant längst weiter. Das Ziel heißt wie bei so vielen in der Branche Off Shore. „Im zweiten Zyklus, der in den kommenden drei Jahren abgeschlossen werden soll, geht es um die Entwicklung eines Off-Shore-Generator mit 6 bis 7 MW und fester Verankerung“, erklärt der Technikdirektor. Der dritte und letzte Zyklus gilt dann einer schwimmenden Plattform mit Blick auf die steilabfallende Atlantikküste in Frankreich, Spanien und Portugal. Die Forschung geht in zwei Richtungen: Viele kleine oder wenige große Generatoren. „Bis 2020 wollen wir ein 15 MW Pilotprojekt installiert haben. Das wäre dann Zyklus 3,5“, erklärt Malumbres, der von vier möglichen Standorten spricht, zwei in Spanien, einer im restlichen Europa und in den USA.

Der Versuch ein zweites Standbein in der Offshore-Entwicklung aufzubauen scheiterte. Das im Februar mit der deutschen Bard unterzeichnete Memorandum of Understanding führte zu nichts. Ende Juli erklärten beide Unternehmen den Versuch gemeinsam off-shore zu gehen für gescheitert. Gamesa wäre „bislang nur auf die Einrichtung von Windkraftanlagen an Land ausgerichtet“, begründete Bard die Entscheidung. Bei Gamesa versucht man das Scheitern der Zusammenarbeit herunterzuspielen. „Wir werden off-shore sein, sobald es einen Markt dafür gibt, ob mit ohne ohne Bard spilet dabei keine Rolle“, erklärt Giménez. Zwar hätte ein Abkommen mit Bard dafür gesorgt, dass Gamesa sofort einen entsprechenden Generator hätte anbieten können, „doch wir sind auch intern in der Lage eine solche Maschine zu entwickeln.“ 2015 soll Vereinigten Königreich ein erstes Projekt gebaut werden. Mit der G10x sei ein wichtiger Teil des Weges bestritten, „obwohl wir diesen Generator nicht einfach nur aufs Meer bringen wollen“. Gamesa werde jetzt mit Hochdruck an eigenen 5, 5 und 7 MW Off-Shore-Generatoren entwickeln, versichert der Chief Operating Manager.

„Um bei der Konkurrenz mithalten zu können, musst du immer einen Schritt voraus sein“, ist sich Chefentwickler De la Torre sicher. Er hat dabei vor allem die fernöstlichen Windgeneratorenhersteller im Blick. „Westliche Unternehmen können nur mit ständig neuer Spitzentechnologie wettbewerbsfähig bleiben“, sagt er. Und das kostet Geld. Gamesa hat in den letzten fünf Jahren über 200 Millionen Euro in Forschung und Entwicklung gesteckt. „Dieses Jahr werden es 100 Millionen sein, Tendenz steigend“, berichtet De la Torre. Das Entwicklungsabteilung nennt 150 Patentfamilien ihr eigen und ist damit eines der inovativsten spanischen Unternehmen.

Der kleine aber entscheidende Vorteil der Gamesa-Ingenieure ist das Nationale Zentrum für Erneuerbare Energien (Cener). Das öffentliche Forschungslabor unweit von Pamplona vermietet seine Einrichtungen an Unternehmen der Branche. „Wir haben fast das gesamte Cener für die nächsten Jahre gebucht“, sagt De la Torre. Das Zentrum bietet alle nötigen Versuchslabors an einem Ort, etwas was es in dieser Art sonst nirgends gibt. Hier können Materialien geprüft, Komponenten getestet und ganze Anlagen unter Belastung erprobt werden. Egal ob die Rotorblätter, das Getriebe oder der Generator, die G10X wäre ohne die Prüfstände bei Cener nicht denkbar. „Die G10X hat Versuche hinter sich, die fünf Jahren Dauerbetrieb entsprechen“, heißt es in der offiziellen Präsentation des neuen Generators.

Gamesas Aufstieg in der Windbranche ging schnell. Das 1976 gegründete Unternehmen, das sich den neuen Technologien in Robotik, Aeronautik, Verbundstoffen und der Mikroelektronik widmete, entdeckte Mitte der 1990er Jahre die Windenergie. 1996 errichtet Gamesa den ersten Windpark. Der dänische Marktführer Vestas steigt bei Gamesa mit 40 Prozent ein. Gamesa verkaufte fortan Windgeneratoren in Spanien, Lateinamerika und Nordafrika, Vestas kümmert sich um den Rest der Welt. 2001 – nach Meinungsverschiedenheiten über die künftige Strategie – steigt Vestas bei Gamesa aus. Bei der Trennung erhält Gamesa die Technologie mehrerer Windgeneratoren, die als Grundlage für künftige eigene Entwicklung dienen. Ab 2006 widmet sich Gamesa ausschließlich der Herstellung von Windgeneratoren und der Errichtung von Windparks. Alle anderen Geschäftsbereiche, einschließlich der Photovoltaik, werden verkauft. Hauptaktionär bei Gamesa ist der spanische Stromversorger Iberdrola, dessen Abteilung für erneuerbare Energien, Iberdrola Renovables, einen strategische Partnerschaft mit Gamesa unterhält. Diese sieht neben der Lieferung von Generatoren mit einer Gesamtleistung von 4.500 MW in den kommenden drei Jahren, auch die gemeinsame Nutzung von Windparks in Europa vor.

„Von Anfang an haben wir beschlossen unsere Präsenz im Ausland auszubauen“, berichtet Iñigo Giménez, Chief Operating Manager von Gamesa und damit die Nummer 2 des Unternehmens. In Spanien verfügt Gamesa über 23 Werke mit einer Produktion von 2.000 MW pro Jahr. 2006 wurden zwei Produktionsstätten in den USA mit einer Jahresproduktion von 1.200 MW errichtet. In Asien stehen mittlerweile 4 Werke in China – ein weiteres ist im Bau – sowie eine Fabrik in Indien. Alle zusammen haben eine Jahresproduktion von mehr als 1.200 MW. „So wurde aus einem spanischen Unternehmen ein Unternehmen, das in drei Kontinenten vertreten ist. Wir sind dabei unsere Präsenz weit über die Länder hinaus auszuweiten, in denen wir produzieren“, erklärt Giménez. „Wir suchen als Kunden die Großen der Branche.“

Insgesamt hatte Gamesa Ende 2009 weltweit 18.247 MW installiert. 38 Prozent davon stehen in Spanien, 25 Prozent im restlichen Europa, 14 Prozent in den USA, 12 Prozent in China und die verbleibenden 11 Prozent verteilen sich auf die restliche Welt, vor allem Lateinamerika und Nordafrika. In allen Märkten zusammen zählt Gamesa Projekte mit einer Gesamtleistung von 22.000 MW.

Es ist genau diese internationale Präsenz, die die Stärke des Unternehmens ausmacht. Dies zeigte sich im vergangenen Jahr. „Uns war schon im Jahr 2008 klar, dass die Finanzkrise und die Entwicklung neuer Unternehmen in Asien den Markt völlig verändern werden“, erklärt Giménez. Gamesa habe sich Schritt für Schritt „an die neue Situation mit niedrigeren Erträgen“ angepasst. „Wir haben unsere Produktion gedrosselt, auch wenn wir weiterhin die Kapazität von mehr als 4.000 MW im Jahr aufrechterhalten“, sagt Giménez. „Wenn sich die Konjunktur erholt, sind wir in der Lage schnell zu wachsen“, prophezeit er.

Besonders hart traf es Gamesa auf dem Heimatmarkt Spanien. Durch neue Verordnungen, die eine Einschreibung neuer Windparks in ein Vorabregister notwendig machen, kam dieser so gut wie zum Erliegen. Außerdem ist noch immer nicht klar, wie der gesetzliche Rahmen nach Auslauf der derzeitigen Bestimmungen Ende 2012 aussehen wird. Gamesa reagierte auf die schwierige Situation in dem per Kurzarbeit und Umstrukturierungen die Belegschaft von 7.200 Arbeiter und Angestellten in Jahr 2008 auf derzeit knapp 6.400 reduziert wurde. Zwar sanken die Einnahmen aus dem Generatorenbau 2009 um 16 Prozent auf 3,2 Milliarden Euro. Doch die Gewinne vor Steuer im Generatorgeschäft stiegen um 7 Prozent.

„Während in Spanien die Lage sehr flach aussieht, haben wir uns auf Länder und Kontinente wie Indien, China und die USA konzentriert, wo dies anders ist“, sagt Giménez. „Wir haben rechtzeitig Produktionsstätten dort entwickelt, wo das Wachstum zu erwarten war.“ So sei China, wo nur 15 Prozent des Marktes für ausländische Unternehmen freigegeben sind, ein schwieriges Land, doch durch die jahrelange Präsenz sei Gamesa gut verankert. Bis 2012 will Gamesa im Reich der Mitte die bisherigen Investitionen von 42 Millionen Euro auf 90 Millionen Euro aufstocken, um der steigenden Nachfrage nach Windgeneratoren gerecht zu werden. Künftig sollen in China der neue G9X und vorallem auch das Flaggschiff G10X gebaut werden.

Außerdem richten die Spanier ihren Blick immer mehr auf Lateinamerika. Dort helfe die gemeinsame Sprache und Kultur. „Aber du musst dennoch gut und zuverlässig sein, denn das kulturelle Element können auch andere Unternehmen kaufen, indem sie die entsprechenden Leute unter Vertrag nehmen“, warnt Giménez vor allzugroßem Selbstvertrauen. Der wichtigste Markt ist derzeit Mexiko. Im Mai unterzeichnete Gamesa mit der us-amerikanischen Cannon Power Group einen Vertrag zum Bau eines 1.000-MW-Windparks im mexikanischen Staat Baja California. Außerdem hofft Gamesa auf Argentinien. „Doch noch fehlt es dort an einem stabilen gesetzlichen Umfeld“, erklärt der Chief Operating Manager.

Börsenanalysten bewerten die Anstrengungen von Gamesa auf den internationalen Märkte positiv, warnen aber vor verfrühtem Optimismus. „Die Aktien sanken in den letzten zwölf Monaten um 50 Prozent“, rechnet die Credit Suisse in einem Bericht von Anfang Juli über die Windgeneratorenhersteller vor. Damit liege Gamesa 23 Prozent unter Vestas. Eines allerdings mache Hoffnung. „Der Abwärtstrend, verursacht durch die Entwicklung in Spanien, hat bereits voll auf den Aktienpreis durchgeschlagen.“ „Wir denken, dass Gamesa die G10X vermarkten muss, um Gewinne und Aktienwerte zu festigen. Das muss jetzt geschehen“, heißt es weiter. Credit Suisse denkt dabei vor allem an das künftige Offshore-Geschäft.

Giménez sieht sich trotz Kritik und schwieriger Konjunktur in der Strategie, die Gamesa eingeschlagen hat, bestätigt. Von der „alten Gamesa, die in vielen Bereichen zugleich aktiv war“, sei nichts mehr übrig. „Es war zweifelsohne die richtige Entscheidung sich voll und ganz auf erneuerbare Energien zu konzentrieren. Vergleichen wir die Windenergie mit der Aeronautik, ist eines klar: Die Windenergie hat eine große Zukunft“, beendet der Chief Operatin Manager das Gespräch. /Fotos: Santi Burgos

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