© 2010 Reiner Wandler

Zapatero am Scheideweg

Trotz des Sparpaketes über 65 Milliarden Euro und trotz des Euro-Schutzschirms bleibt Spanien in den Schlagzeilen. Nachdem mehrere deutsche Tageszeitungen Ende letzter Woche über ein unmittelbar bevorstehendes Rettungsgesuch des iberischen Königreiches an die EU spekulierten, reißen die kritischen Berichte nicht ab. Da nützen auch die beruhigenden Worte des sozialistischen Regierungschefs José Luis Rodríguez Zapatero und der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel nichts.

Denn die Zahlen flößen alles andere als Vertrauen ein. Zwar verzeichnet Spanien mit nur 55 Prozent des BIP eine wesentliche geringere Staatsverschuldung als die meisten Euroländer – Deutschland inbegriffen – doch die Privat- und Unternehmensverschuldung ist so hoch wie nirgends. Nach dem Jahrzehnt des Baubooms mit ständig steigenden Wohnungspreisen stehen Spaniens Verbraucher mit 90 Prozent in der Kreide. Rechnet man die 145 Prozent der Unternehmensschulden und die 110 Prozent der Banken, sowie die Schulden der Regionen und Gemeinden hinzu, steht das Land mit über 350 Prozent des BIP in den roten Zahlen.

Längst gefährdet fehlende Rückzahlungsmoral Sparkassen und Banken. Über fünf Prozent der Kredite werden nicht mehr bedient. Eine Zeitbombe, denn Spanien hat bei den europäischen Banken über 600 Milliarden Schulden. Zwar sei Spanien – so die EU-Kommission – mit dem Sparprogramm auf dem richtigen Weg, doch falle es zu niedrig aus. Die EU empfiehlt Einsparungen in Höhe von 1,75 Prozent des BIPs, um 2013 wieder von derzeit 11,2 Prozent auf 3 Prozent Defizit im Staatshaushalt zu kommen. Das sind 0,25 Prozent mehr, als bisher zugesagt.

Zapatero geht derweilen einen Schritt weiter in der Krisenbekämpfung. Am gestrigen Mittwoch beschloss das Kabinett eine Arbeitsmarktreform. Zapatero will damit den Arbeitsmarkt ankurbeln. Jeder fünfte ist in Spanien derzeit arbeitslos.

Mit Zuschüssen zum Sozialversicherungsbeitrag will die Regierung den Unternehmen Arbeitsverträge für von der Arbeitslosigkeit besonders betroffenen Gruppen schmackhaft machen. Außerdem gibt es finanzielle Anreize, um Festverträge auszustellen. Spanien liegt mit 25 Prozent Zeitverträgen mit an der Spitze der Europäischen Union. Bei den unter 30-Jährigen sind es sogar 40 Prozent.

Ab 2012 sollen Unternehmer bei Entlassungen statt bisher 33 nur noch 20 Tageslöhne Abfindung pro gearbeitetes Jahr bezahlen müssen, wenn sie nachweisen können, dass „sie nicht rein konjunkturbedingte Verluste“ haben. Dazu will die Regierung einen Fond einrichten, in den die Unternehmer einbezahlen. Aus diesem soll ein Teil der Abfindung finanziert werden. Bis der Fond 2012 zu funktionieren beginnt, wird eine staatliche Institution einen Teil der Abfindung bezahlen. Für die Gewerkschaften ist dies eine „Subventionierung der Vernichtung von Arbeitsplätzen“.

Regierungschef Zapatero läuft Gefahr über die Arbeitsmarktreform zu stolpern. Denn seine Sozialistische Partei (PSOE) verfügt über keine Parlamentsmehrheit. Wie bereits beim Sparpaket, das nur dank der Enthaltung der katalanischen Nationalisten, ein knappe, relative Mehrheit erzielte, muss er um die Zustimmung zu seinem Maßnahmenkatalog am kommenden Dienstag bangen. Scheitert Zapatero am Parlament bleiben ihm wohl nur noch Neuwahlen. Bringt er das Paket als Dekret auf den Weg, tritt es zwar sofort in Kraft, muss aber im Herbst als ordentliches Gesetz erneut vors Parlament. Zapatero erwartet ein langer Verhandlungssommer.

Die beiden großen Gewerkschaften, die postkommunistische CCOO und die sozialistische UGT haben für den 29. September bereits zum Generalstreik gerufen. Zapateros PSOE macht bereits jetzt Stimmung gegen die Proteste. Sie würden nur der konservativen Opposition nützen. „Der Generalstreik ist nicht dazu gedacht, die politische Situation im Lande zu ändern“, erklärt CCOO-Generalsekretär Ignacio Fernández Toxo. Denn „keiner muss Zapatero aus dem Amt drängen, er macht das ganz alleine.“

Was bisher geschah: