© 2010 Reiner Wandler

Christen abgeschoben

Marokko hat in den vergangenen drei Monaten mehr als 100 Christen ausgewiesen. Meist handelt es sich dabei um Protestanten. Egal ob aus den USA, Neu Seeland, Australien, Lateinamerika oder Europa, den Betroffenen wird „Bekehrungseifer“ vorgeworfen. Sie sollen versucht haben, Muslime vom rechten Weg der marokkanischen Staatsreligion abzubringen. In einem Kommuniqué, das von 7.000 Ulemas – hohen islamischen Würdenträgern und Gelehrten – unterzeichnet wurde, ist von „Verstoß gegen die Moral“, „religiösem Terrorismus“ und dem Versuch „die marokkanischen Kinder vom Glauben abzubringen“ die Rede. Es handelt sich um die größte Kampagne gegen Mitglieder einer anderen Religion, die Marokko seit seiner Unabhängigkeit im Jahre 1956 erlebt hat.

Als erstes wurden 16 Mitarbeiter eines Waisenhauses in Ain Leuth im Atlasgebirge abgeschoben. Sie betreuten die Einrichtung und die dort lebenden Kinder seit über zehn Jahren. Der Abschiebebescheid wurde am 7. März zugestellt. Und damit ausgerechnet am Tag des ersten bilateralen Gipfels der Europäischen Union (EU) mit dem Königreich Marokko im südspanischen Granada.

Kurz darauf erwischte es vier Lehrer und den Direktor der us-amerikanischen Schule „Georg Washington Academy“ in Casablanca. Die Eltern eines 12-jährigen Schülers hatten geklagt, ihr Sohn sei zum Christentum übergetreten.

Auch einen Spanier, der vor mehr als 60 Jahren in Marokko geboren wurde, und seither ununterbrochen im Lande lebte, wurde ausgewiesen. Der Kleinunternehmer für Solarenergie verlor damit ebenso seine Existenzgrundlage, wie ein britischer Übersetzer aus Tanger oder ein kanadischer Buchhändler aus Meknes.

Des marokkanische Religionsminister Ahmed Toufiq beschuldigt die Betroffenen „religiöse Auseinandersetzungen“ provoziert zu haben. Sie würden die „religiöse Einheit“ Marokkos gefährden. 93 Prozent der in Marokko lebenden Menschen sind Muslime. Beim Rest handelt es sich entweder um Mitglieder der marokkanischen, jüdischen Minderheit oder um ausländische Christen. Auf „Bekehrung“ steht eine Haftstrafe von bis zu sechs Monaten. „Was wollen die Christen? Eine Handvoll konvertierte Marokkaner oder Ordnung und Ruhe unter den Marokkanern?“ fragt Toufiq.

Für die meisten westlichen Regierungen scheint die Antwort klar. Außer den USA und Holland hat niemand offen gegen die Abschiebung protestiert. Spanien meldete in seiner Rolle als EU-Präsidentschaft Bedenken an und die ehemalige Kolonialmacht Frankreich schweigt ganz.

Was bisher geschah: