© 2010 Reiner Wandler

Spanien beäugt China

Es gehen viele Gerüchte um, wenn es um die chinesische Gemeinde in Spanien geht. Alles von der Mafia gesteuert, lautet eines der Vorurteile. Es würden keine Chinesen in Spanien beerdigt, ein anderes. Sobald einer stirbt, verschwinde sein Leichnam, um mit dem Pass einen neuen Landsmann nach Spanien zu holen. Obwohl die chinesischen Immigranten allgemein als höflich, ruhig und konfliktscheu gelten, sitzt die Abneigung tief.

47 Prozent der Spanier haben ein negatives Chinabild und nur 31 Prozent ein positives. Das zeigt eine Umfrage der us-amerikanischen Universität Maryland im Auftrag des britischen Senders BBC. Damit stellt Spanien den Durchschnitt der 22 untersuchten Länder genau auf den Kopf. Denn insgesammt stehen 49 Prozent China positiv gegenüber und nur 33 Prozent ablehnend. Eine andere Studie des Pew Research Center in Washington kommt zu einem ähnlichen Ergebnis. Dieses mal lautet die Frage, ob die wirtschaftliche Entwicklung positiv für das eigene Land sei. In Spanien antworteten nur 37 Prozent mit Ja. Das Land auf der iberischen Halbinsel, das erst 1973, gegen Ende der Diktatur von General Francisco Franco diplomatische Beziehungen zum kommunistischen China aufnahm, liegt damit am Ende einer Gruppe von 16 untersuchten Ländern.

„Die Vorbehalte der Spanier gegen China sind nicht politisch motiviert“, schreibt der Forscher am spanischen, Königlichen Institut El Cano, Javier Noya. „Die Spanier sehen in China keine geostrategische Bedrohung. Vielmehr ist China für sie ein Gegengewicht zu den USA.“ Und da die Spanier sehr us-kritisch seien, störe sie das nicht. Die Ablehnung gegenüber China habe vielmehr wirtschaftliche Ursachen, fährt Noya fort. Die Spanier hätten Angst vor den chinesischen Importen. China steht für alles Schlechte der Globalisierung.

150.000 Chinesen leben in Spanien. Damit ist die Einwanderergemeinde aus dem Reich der Mitte weit kleiner als die aus Marokko oder verschiedenen lateinamerikanischen Ländern. Dennoch macht sich so mancherorts bei den Einheimischen das Gefühl einer Invasion breit. Vor allem im Stadtteil Eixample in Barcelona und in Lavapiés in der Madrider Altstadt hat sich die chinesische Community niedergelassen.

Zuerst war es hier und da ein Restaurant. Dann ein Laden, der allerlei mehr oder weniger Nützliches zum Einheitspreis von einem Euro verkauft, danach kleine Lebensmittelgeschäfte, die bis tief in die Nacht offen haben … Schließlich kam mit dem Großhandel von Textil und Schuhen der wirtschaftliche Durchbruch. Innerhalb weniger Monate übernahmen die Großhändler ganze Straßenzüge. Die kleinen Läden um die Ecke, die alteingesessene Kneipe, historische Restaurants verschwanden über Nacht. Zu lukrativ war das Angebot der chinesischen Unternehmer. Das Geschäft mit Billigtextilien bringt so viel ein, dass sie Quadratmeterpreise zahlen können, wie sonst nur die großen Marken auf den Luxusboulevards Madrids und Barcelonas.

„Drei Prozent der Chinesen in Spanien besitzen eine Textilgeschäft“, erklärt Antonio Du, der Vorsitzenden des Verbandes Chinesischer Händler (ACCE) stolz. Auch viele einheimische Großhändler konnten da nicht mehr mithalten und gaben auf. Denn ihre Produkte waren wesentlich teurer als die Ware aus Fernost. Spanische Schuhfabriken, Textilhersteller im benachbarten Portugal verloren ihre Kunden. Viele mussten schließen.

Die Konflikte ließen nicht auf sich warten. So machten in Madrid die Anwohner mobil. Denn Großhandel bedeutet Verkehr. LKWs bringen tonnenweise Textilien in die engen Altstadt-Gassen. Die Lieferwagen der Kunden aus ganz Spanien und dem benachbarten Ausland holten sie kurz darauf wieder ab. „Es handelt sich um eine industrielle Aktivität, die so in einer Altstadt nicht stattfinden kann“, protestierten die Anwohner. Lavapiés wurde schließlich für den Durchgangsverkehr geschlossen. So mancher Großhändler zog in große Lagerhallen vor die Tore Madrids um.

Doch längst ist die Beziehung zu China keine Einbahnstraße mehr. Vor allem Unternehmen aus der spanischen Lebensmittelindustrie haben den Sprung nach Asien gewagt. Ob Brühwürfel oder Olivenöl, ob die Lutscher Chupa Chups oder Schinken, Spaniens Unternehmer hoffen, unter einer Milliarde Chinesen genug neugierige Kunden zu finden. Auch bei der Expo in Shanghai schickt Spanien seine Gastronomen als kulturelle Botschafter vor. „Wir setzen auf die traditionelle Küche“, erklärt der Chefkoch im spanischen Pavillon, Pedro Larumbe, der mit 20.000 Litern Olivenöl, 15 Tonnen Fleischwaren und 1.000 iberischen Schinken nach Shanghai reist.

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