© 2010 Reiner Wandler

Ein Mann für schwierige Fälle

Es war ein Treffen wie sie Spaniens Aussenminister Miguel Ángel Moratinos wohl mag. In seiner Funktion als diplomatischer Vertreter der spanischen EU-Präsidentschaft rief er gestern Vormittag die Schweizer Aussenministerin Micheline Calmy-Rey und deren libyschen Kollegen Mousa Kousa zu sich. Moratinos wollte im seit Monaten dauernden bilateralen Konflikt schlichten.



Wenn einer etwas erreichen kann, dann ist es Moratinos. Der 58-jährige Sohn einer gutbürgerlichen Familie aus Madrid hat einen guten Ruf in der arabischen Welt und er ist geübt in schwierigen Verhandlungen. Bevor er 2004 ins spanische Aussenministerium einzog, war er sieben Jahre lang Sondergesandte der Europäischen Union für den Friedensprozess im Nahen Osten. Dort verdiente sich Moratinos das Vertrauen aller am Konflikt Beteiligten. Er vermittelte erste Kontakte zwischen dem damals regierenden Benjamin Netanyahu und Syrien. Wenn es um klare Worte ging, sprach er sie aus. Immer wieder rügte der Diplomat Netanyahus Nachfolger Ariel Sharon für dessen harte Haltung. Als Palästinenserpräsident Yassir Arafat von Israel in seinem Amtssitz eingeschlossen wurde, machte sich Moratinos für ihn stark. Der Spanier handelte aktiv die Roadmap mit aus. Aus jener Zeit stammt das gute Verhältnis, das ihm zum ehemaligen US-Aussenminister Colin Powell nachgesagt wird.

Moratinos interessierte sich schon früh für die arabische Welt. Nach dem Abitur am französischen Lycee in Madrid und einem Jura- und Politikstudium besuchte er die Diplomatenschule. Seine ersten Sporen verdiente er sich in Jugoslawien und in Marokko. Schnelle stieg der Vater dreier Kinder auf und betreute als Generaldirektor im diplomatischen Dienst die Region Nordafrika. Nach einem Abstecher in die Direktion des spanischen Institutes für die Zusammenarbeit mit der Arabischen Welt, wurde er 1993 zum Generaldirektor für Afrika und Mittlerer Osten im Madrider Aussenministerium.

1996, nach der Abwahl seines sozialistischen Dienstherrn Felipe González, wurde Moratinos Botschafter in Israel. Diesen Posten sollte er nur kurze Zeit innehaben. Längst war Brüssel auf den spanischen Diplomaten aufmerksam geworden, und beauftragte ihn mit dem Konflikt im Nahen Osten.

Moratinos ist ein unabhängiger Geist. Zwar sympathisierte der gläubige Katholik schon lange mit der sozialistischen PSOE. Doch rang er sich erst im Jahr 2000 dazu durch, Parteimitglied zu werden. Vom Ausland aus kümmerte er sich nur wenig um die partei-internen Streitereien. Er hatte keinerlei Ämter inne. Bis dann der junge Parteichef José Luis Rodríguez Zapatero auf der Suche nach neuen Gesichtern auf den Diplomaten stieß. Er berief ihn kurz vor Beginn des Wahlkampfes 2004 in sein Expertenteam. Als die PSOE überraschend die Wahlen gewann, war der Weg Moratinos ins Ministerium vorgezeichnet.

Moratinos warf das Ruder der spanischen Diplomatie um 180 Grad herum. Anders als seine konservativen Vorgänger, ging er zur Bush-Administration auf kritischen Distanz und näherte sich wieder der Kerngruppe der EU. Madrid holte die Truppen aus dem Irak zurück. Weder Moratinos noch Regierungschef Zapatero waren fortan in Washington gerne gesehen. Dies sollte sich erst nach der Wahl Barack Obamas ändern.

Wer mit Moratinos zusammengearbeitet hat, redet nur gut über ihn. Egal wie flüchtig er einen Gesprächspartner kennengelernt hat, auch Jahre später habe er auf Anhieb seinen Namen parat. Moratinos ist die Ruhe in Person. Vielen ist er gar zu ruhig, vor allem wenn er sich den Kameras stellen muss. Doch eines kann den Vollblutdiplomaten aus der Ruhe bringen – die schönste Nebensache der Welt. Moratinos ist Anhänger des ewigen Zweiten in der Hauptstadt, Atlético de Madrid.

Wie weit der spanische Chefdiplomat bei seinem Gespräch mit Calmy-Rey und Kousa gestern gekommen ist, wurde nicht bekannt. Der Termin unterlag dem Siegel der diplomatischen Verschwiegenheit. „Keine Treffen mit der Presse, keine öffentliche Erklärung“, hieß es kurz und bündig aus dem Ministerium in Madrid. Damit bleibt nach aussen hin erstmal alles beim Alten. Libyen hält weiterhin zwei Schweizer Geschäftsmänner fest und Bern besteht auf das Einreiseverbot für 180 libysche Persönlichkeiten in den Schengenraum./Foto: Ministerio de Asuntos Exteriores/ España

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