© 2009 Reiner Wandler

Kein Recht mit Kopftuch

Spaniens Justiz hat einen Kopftuchstreit. Anwältin Zoubida Barik Edidi fühlt sich diskriminiert. Richter Javier Gómez Bermúdez, der aus dem Verfahren um die Anschläge auf die Pendlerzüge von Madrid am 11. März 2004 international bekannte Strafrichter an der Audiencia Nacional, verwies die Anwältin marokkanischer Abstammung am 29. Oktober des Gerichtssaal. Barik Edidi trug zur Anwaltsrobe ein Kopftuch. Jetzt hat die Anwältin den Richter vor der Justizaufsicht angeklagt. Der Saalverweis sei „eine willkürliche Ausübung der richterlichen Macht“, begründet Barik Edidi die Klage

„Señora, Sie können hier nicht bleiben“, lautete kurz und bündig die Anordnung von Richter Gómez Bermúdez an jenem Tag. „Das ist mein Saal und hier bestimme ich“, bekam Barik Edidi auf die Bitte um eine Begründung zu hören. Die muslimische Anwältin, die einen Kollegen im Verfahren gegen mutmaßliche, radikale Islamisten, die Selbstmordattentäter für den Irak angeheuert haben sollen, unterstützte, staunte nicht schlecht. Denn es war bereits der zweite Prozesstag, an dem sie mit ihrem Kopftuch auf der Anwaltsbank saß. „Am ersten Tag sagte der Richter nichts“, wundert sich die gläubige Muslimin. „Er hat mir ein Grundrecht verweigert“, fügt Barik Edidi hinzu. „Ohne Kopftuch kann ich nicht Anwältin sein.“

Barik Edidi, die seit 1994 in Spanien lebt, hat in der marokkanischen Hauptstadt Rabat Jura studiert. In Spanien betreute sie Frauen bevor sie in einem Zusatzkurs die Zulassung vor spanischen Gerichten erhielt. Seither arbeitet sie ohne Probleme mit Kopftuch.

Es war nicht der erste Zwischenfall im Verfahren des Richter Gómez Bermúdez wegen der Kleidung einer muslimischen Frau. Wenige Tage bevor der Richter die Anwältin Barik Edidi des Saales verwies, versuchte eine Zeugin in Burka auszusagen. Gómez Bermúdez verbat sich dies, denn die Reaktionen auf seine Fragen seien zur Wahrheitsfindung wichtig. Dazu müsse er das Gesicht der zeugen sehen. Unter Androhung einer Ordnungsstrafe sagte die Schwester eines Selbstmordattentäters, dann im Büro von Bermúdez aus – ohne Burka und ohne Presse und Zuschauer.

Anwältin Barik Edidi wird bei ihrer Klage von einem der spanischen Anwaltsvereine, der Vereinigung „Vorrang dem Recht“, unterstützt. Der Richter habe ganz klar „gegen die Normen verstoßen“. Denn im Gesetz sei nirgends von der Kopfbedeckung der Anwälte die Rede. Die Verteidiger seien nur verpflichtet, ordentlich gekleidet zu sein und eine Robe zu tragen. Selbst der Krawattenzwang wurde 2001 abgeschafft.

Der sozialistische Justizminister Francisco Caamaño verteidigt Gómez Bermúdez. Er sei davon „überzeugt“, das der Richter „geltendes Recht vollkommen richtig angewandt“ habe. Caamaño sprach sich gegen eine Bestimmung aus, die das Tragen von Kopftuch und anderer religiöser Symbole in öffentlichen Einrichtungen und Ämtern grundsätzlich regelt. Er verlasse sich ganz auf „das Kriterium der jeweiligen Verantwortlichen, in diesem Fall der vorsitzende Richter“, erklärt er.

Die Aussagen des Justizminister seien „verantwortungslos“, hält „Vorrang dem Recht“ dagegen. Caamaño rufe mit seinen Erklärungen „zur Diskriminierung muslimischer Anwältinnen und zur Einmischung in ihre Kleiderordnung auf“.

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